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Wie Krawattenträger und Nerds gemeinsam digitale Innovationen entwickeln können

Digitale Innovationen

Die zunehmende Digitalisierung verändert das Wirtschaftsleben, den Alltag des Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes. Das bedeutet beispielsweise, dass etablierte Geschäftsmodelle infrage gestellt werden und neue Konkurrenten in den Markt eintreten, an die vor zehn Jahren kaum jemand gedacht hätte. Vor diesem Hintergrund stehen Unternehmen vor einer Vielzahl von organisatorischen und technischen Herausforderungen. Eine weitere Voraussetzung, um im globalen Digitalisierungswettbewerb bestehen zu können, ist das Vorhandensein von Kreativität in Unternehmen, die bei der Generierung digitaler Innovationen und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle eine Schlüsselrolle spielt.

Ein möglicher Ansatz zur Geschäftsmodellentwicklung ist die Nutzung etablierter Frameworks und Vorgehensweisen. Da diese Managementmodelle eher allgemein gehalten sind, lassen sie sich erfahrungsgemäß relativ gut an die Aufgabe der Entwicklung digitaler Innovationen und Ideen anpassen. Eine ergänzende Möglichkeit besteht in der Zusammenarbeit mit Partnern, um gemeinsam neue und frische Ideen zu entwickeln. Hierbei gibt es grundsätzlich eine Vielzahl von potenziellen Kooperationspartnern: Kunden, Zulieferer, Wettbewerber, Berater oder Startups. Auf die Zusammenarbeit mit der letztgenannten Gruppe wollen wir uns im Folgenden konzentrieren.

Grundlage ist eine qualitative Befragung zum Thema Digitalisierung der Wirtschaft und Wissenschaft, die wir im Zeitraum zwischen Juni und August 2015 durchgeführt haben. Befragt wurden 40 Experten bzw. Führungskräfte von etablierten Unternehmen, Startups sowie aus der Wissenschaft. Gegenstand der Untersuchung waren u.a. wirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung sowie die organisatorischen Herausforderungen insbesondere bei der Generierung neuer digitaler Innovationen.

Kooperationen als Schlüssel zum digitalen Innovationserfolg

Den Interviewergebnissen zufolge gelingt es nur wenigen etablierten Unternehmen, aus eigener Kraft digitale Innovationen zu generieren. Daher suchen sie in vielen Fällen  externe Innovationsimpulse, beispielsweise im Rahmen von Kooperationen mit jungen Unternehmen bzw. Startups. Ähnliche Zielsetzungen werden mit Open-Innovation-Ansätzen sowie mit dem Konzept des  sogenannten Corporate Entrepreneurship verfolgt. Das bedeutet, dass der Innovationsprozess über die Unternehmensgrenzen hinaus nach außen geöffnet wird bzw. das Ziel verfolgt wird, den Entrepreneurship-Gedanken auf das Unternehmen zu übertragen, um letztendlich das Innovationspotential des Unternehmens zu erhöhen. In der folgenden Abbildung sind verschiedene klassische Formen der Generierung von Innovationen dargestellt. Letztlich können diese gemeinsam von etablierten Unternehmen und Startups zur Generierung von digitalen Innovationen genutzt werden.

Krawattenträger und Nerds  – passt das zusammen?

Aus traditioneller Sicht könnte man gegen eine Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Startups kritisch einwenden, dass das kulturell nicht zusammenpasst. Auf der einen Seite (in vielen Fällen immer noch) Krawattenträger, auf der anderen Seite häufig „Nerds“, die nachts arbeiten und sich von Pizza und Cola ernähren. Erste Erfahrungen und Aussagen aus den von uns durchgeführten Interviews zeigen jedoch das Gegenteil. Die unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen sich in vielen Fällen hervorragend, so dass es gute Chancen gibt, dass beide Partner von einer Zusammenarbeit profitieren können.

Die Zielsetzung aus Sicht der etablierten Unternehmen besteht häufig darin, von den Startups zu lernen und sich ihre agilen Arbeitsweisen anzueignen. Zusätzlich besteht häufig ein Motiv darin, junge „Digital Natives“ kennenzulernen, um diese für das eigene Unternehmen zu gewinnen oder ggf. auch das Startup zu übernehmen. Aus der Sicht von Startups ist die Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass sie Know-how in Bereichen wie beispielsweise Marketing oder Vertrieb erlangen und auch ihr Netzwerke erweitern können. Einige haben auch sicherlich Interesse daran, übernommen zu werden und auf diese Weise schnell Geld zu verdienen.

Neben einer bilateralen Kooperation zwischen einem etablierten Unternehmen und einem Startups gibt es weitere Formen einer Zusammenarbeit. Hierzu gehören etwa Hackathons. Darunter werden Veranstaltungen verstanden, in denen innerhalb einer kurzen Zeit versucht wird, nützliche und innovative Produkte zu entwickeln. Auch hier sind Nachtschichten eher die Regel als die Ausnahme. Häufig werden im Rahmen solcher Hackathons Aufgaben formuliert, die von den Startups bearbeitet werden. So konnten wir kürzlich einen solchen Hackathon beobachten bzw. mitorganisieren, bei dem etablierte Unternehmen Teile ihres Datenmodells preisgaben und die Startups darauf aufbauend datenbasierte Geschäftsmodelle entwickelt haben. Auf dieser Basis werden zurzeit schließlich drei mobile Anwendungen entwickelt, die zukünftig den Kunden der etablierten Unternehmen angeboten werden sollen. Ein weiteres Beispiel ist ein von Merck organisiertes Hackathon im Gesundheitsbereich. Studentische Teams und Gründer sowie Gründerinnen arbeiteten 24 Stunden lang an konkreten Problemstellungen und entwarfen darauf aufbauend entsprechende Lösungen. Diese Lösungen reichten von einem Konzept für eine personalisierte Arzneimittelanwendung über die Sicherstellung der Patientenversorgung bis hin zu Ideen, um temperaturkritische Medikamententransporte online überwachen zu können.

Ein anderes Beispiel ist die Startup Safari der Deutschen Bahn AG. Fach- und Führungskräfte sollen während eines 7-tägigen Programms Methoden und Vorgehensweisen von Startups kennenlernen, indem sie u.a. bei einem Startup hospitieren. Eine solche Safari wurde kürzlich in Kooperation mit dem Gründungszentrum HIGHEST (Home of Innovation, Growth, Entrepreneurship and Technology Management) der Technischen Universität Darmstadt durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass dieses Austauschprogramm sowohl seitens der DB-Mitarbeiter als auch der Startups gegenseitig als sehr befruchtend empfunden wurde. Dies kann mit dem folgenden Beispiel unterstrichen werden: Während ein DB-Mitarbeiter seine Fach-Expertise in einer 4-tätigen Hospitation zur Verfügung stellte und gemeinsam mit dem Startup bspw. ein Marketingkonzept ausarbeitete, führte das Startup den DB-Mitarbeiter in seine agilen Arbeitsweisen ein. Dieser Perspektivenwechsel zeigte insbesondere den DB-Mitarbeitern, wie u.a. unterschiedliche Internet-Dienste für die Kommunikation genutzt werden, wie bspw. Slack, um alle Projektschritte und Dokumente auf dem aktuellsten Stand zu halten. Darüber hinaus beeindruckte es einigen DB-Mitarbeitern, wie Entscheidungen von den Startups innerhalb relativ kurzer Zeit getroffen werden. Diese beispielhaft dargestellten agilen Arbeitsweisen wirken zwar auf den ersten Blick etwas unstrukturiert, basieren jedoch u.a. auf dem Lean-Startup-Ansatz, der es ermöglicht, mit schlanken Strukturen und ohne umfangreicher Planung, agil und erfolgreich zu agieren.

Immer mehr Großunternehmen investieren zudem in Corporate Incubatoren, wie beispielsweise die Lufthansa in Berlin oder die Commerzbank in Frankfurt am Main. Mit solchen Aktivitäten verfolgen etablierte Unternehmen laut einem CEO eines IT-Beratungshauses insbesondere das Ziel: „[…] diesen Gründungstouch auch da (in das Unternehmen) mit reinzunehmen“. So sei die Kooperation mit Startups „[…] eine ganz zentrale Chance letztendlich für große Unternehmen.“ Eine weitere Aussage aus Sicht eines Infrastrukturanbieters lautet: „Wir arbeiten natürlich gerne mit Startups zusammen. […] da stecken meist unheimlich kreative Köpfe dahinter, […] und wir können viel von ihnen lernen.“

Bei einer Betrachtung der Interviewaussagen der Startups wird deutlich, dass auch sie in einer Zusammenarbeit große Chancen sehen. Ein Gründer eines Startups aus dem Digitalbereich beschreibt die sich eröffnende Möglichkeiten wie folgt: „Kooperationen geht man in der Regel ein, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Man könnte bspw. dann PR-mäßig kooperieren, u.a. auch die Medienpräsenz zu erhöhen.“ Jedoch wird seitens der Startups auch darauf hingewiesen, dass eine Zusammenarbeit – natürlich – nicht immer eine Erfolgsgarantie darstellt. So verdeutlicht ein Gründer eines Startups aus dem Hightech-Bereich: „Etablierte Unternehmen klauen mir auch Know-how, es gibt schließlich einen Grund, warum sie mit mir kooperieren möchten. Sie möchten Geld verdienen.“ Anhand dieser Interviewaussagen wird deutlich, dass es sowohl Chancen als auch Herausforderungen für etablierte Unternehmen gibt, wenn sie solche Kooperationen mit Startups eingehen.

Fazit

Die Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Startups eröffnet den beteiligten Partnern in vielen Fällen neue Chancen bei der Generierung digitaler Innovationen. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg solcher Kooperationen besteht darin, dass beide Seiten profitieren, die „Chemie“ zwischen den Beteiligten stimmt und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfindet. Erfahrungen zeigen, dass unter diesen Bedingungen solche Kooperationen für beide Partner von Vorteil sein können: So bekommen einerseits etablierte Unternehmen Einblicke in die agilen Arbeitsweisen von Startups und andererseits können junge Unternehmen von den Erfahrungen der etablierten Unternehmen und auch von deren Netzwerken profitieren. Ein wesentliches Motiv für die etablierten Unternehmen ist auch die Kontaktaufnahme mit jungen „Digital Natives“ bzw. IT-Fachkräften. Der Wettbewerb um diese meist jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird immer härter, was sich zuletzt auch in steigenden Gehältern niedergeschlagen hat. Ein CIO einer Großbank beschreibt diese Herausforderung folgendermaßen: „[…] man merkt schon, dass es immer schwieriger wird, gute qualifizierte IT-Fachkräfte zu finden. […] dies wird sich aufgrund des demografischen Wandels sicherlich noch weiter verschärfen.“

Etablierte Unternehmen stehen darüber hinaus häufig vor der Herausforderung, geeignete Startups für eine Zusammenarbeit zu finden. Eine mögliche Lösung kann eine Partnerschaft mit Gründungszentren an Hochschulen sein, da diese den Zugang zu kreativen Köpfen bzw. innovativen Startups ermöglichen.