Innovation @ Google – Was wir lernen können

Im letzten Herbst hatte ich die Gelegenheit, ein paar Wochen im Silicon Valley zu verbringen. Neben den üblichen touristischen Zielen entlang des Highway Nr. 1, Treffen mit Start-ups und den Besuchen an den Universitäten in Berkeley und Stanford hat mich insbesondere ein Tag bei Google in Mountain View sehr beeindruckt.

Dabei hätte ich auch gerne etwas zu meinen Themen Macht der Daten und Privatsphäre erfahren, aber all meine Versuche, darüber mit Google-Mitarbeitern zu diskutieren, blieben erfolglos. Bei diesem Thema machen sie dicht: „Alles im Sinne der Nutzer“, „Privatsphäre ist uns sehr wichtig“ und weitere Worthülsen.

Was mich aber ebenso sehr beschäftigte, war die Frage, wie Google es trotz seiner Größe schafft, so innovativ zu bleiben. Ich hatte das Glück, dass ein Freund, der dort arbeitet, sich einen Tag Zeit nahm, um mir den Campus und auch die neuesten Entwicklungen – etwa im Bereich Künstliche Intelligenz – zu zeigen. Der Eindruck vom Campus: viele junge freundliche und sympathische Menschen, verschiedene Cafeterias mit sehr gutem Essen und Getränken, Volleyballplätze und überall ein sehr entspanntes Klima – Kalifornien eben.

Anders als bei vielen deutschen Firmen strengt Google sich wirklich an, um innovativ zu bleiben. Es geht um weit mehr als „Nettigkeiten“, wie Fahrräder für Teammeetings oder ein Dinosaurier auf dem Campus, der alle Mitarbeiter daran erinnern soll, wie schnell selbst Riesen aussterben. Ich bin bis heute beeindruckt, wie es einer Firma mit ca. 80.000 Mitarbeitern gelingt, innovativ zu bleiben. Dies gilt für viele Bereiche, wie z.B. Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Augmented Reality und viele andere.

Neben einem guten Gehalt unternimmt Google vieles, um für die begehrten Softwareentwickler und andere digitale Experten attraktiv zu sein. So können die Mitarbeiter anderthalb Tage pro Woche für ein eigenes Projekt aufwenden. Hierfür muss kein Business-Plan entwickelt werden. Vielmehr haben die Initiatoren die Aufgabe, Mitstreiter im Sinne von Followern zu finden, die mit ihnen gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Ein weiterer Punkt, den ich spannend fand: das variable Gehalt wird dort nicht vom Chef oder der Chefin bestimmt, sondern von den „Peers“ im Team. Das Ziel dahinter: Die Leistung im Team und nicht hierarchisches Denken fördern.

Google hat es mit diesen und weiteren Maßnahmen schlicht geschafft, ein Vorreiter bei den Themen Leadership und Mitarbeiter zu sein. Alle wissen, dass das die Schlüssel zur Innovationskraft sind, aber nur den wenigsten gelingt es, tatsächlich ein begehrter Arbeitgeber zu werden. Google ist mittlerweile für viele Universitätsabsolventen der Traumarbeitgeber schlechthin – und das gilt nicht nur für die Studenten aus Stanford oder Berkeley. Google hat also freie Auswahl im globalen Pool der Top-Talents. Dabei muss jeder Kandidat mehrere Gespräche mit verschiedenen Google Mitarbeitern führen und alle(!) Gesprächspartner müssen der Einstellung zustimmen. Auch von meinen Studierenden und Doktoranden/innen höre ich immer wieder: „Wenn es klappt, würde ich am liebsten zu Google gehen.“ Und dabei denken sie nicht zuerst an die Sonne Kaliforniens.

Traditionelle Unternehmen in Europa und Deutschland können in Bezug auf Innovationen und Unternehmenskultur noch immer viel von Google lernen. Ein Vorurteil, das man zum Thema Digitalisierung oft hört, wurde auf meiner Reise übrigens nicht bestätigt: Das vielzitierte „Fail fast“ konnte ich nicht beobachten. Im Gegenteil: Amir erzählte mir, dass sein Projekt, das er über mehrere Monate geleitet und vorangetrieben hat, am nächsten Tag hoffentlich den siebten Qualitätstest bestehen würde. Erst dann gehe seine Softwarelösung live. „Fail fast“ scheint jedenfalls bei Google doch nicht (mehr) so weit verbreitet zu sein, wie hierzulande manchmal behauptet wird. Vielleicht war das in frühen Tagen anders, als Google noch ein Disruptor war – heute steht es auf der Seite der etablierten Incumbents und hat ein Markenversprechen einzulösen. Qualität und Innovation gehört eben doch zusammen – auch im Silicon Valley.

Das IT-Sicherheits-Paradox: Warum Unternehmen zu wenig in IT-Sicherheit investieren

Mit der zunehmenden Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gehen auch immer größere IT-Sicherheitsrisiken einher. So werden mehr und mehr Unternehmen, nicht zuletzt kleine und mittelständische, Opfer von Sicherheitsvorfällen. Bitkom schätzt beispielsweise, dass durch IT-Sicherheitsvorfälle allein deutschen Firmen im letzten Jahr ein Schaden von 55 Milliarden Euro entstanden ist. Und es handelt sich dabei natürlich nur um die Spitze des Eisbergs. Viele Sicherheitsvorfälle werden gar nicht erst bekannt gemacht, entweder weil es den Unternehmen schlicht peinlich ist oder auch, weil sie einen Imageschaden befürchten. Darüber hinaus wissen die Unternehmen in vielen Fällen noch nicht einmal selbst, ob sie Opfer eines Sicherheitsvorfall wurden – frei nach dem Motto: Entweder der Feind ist schon drin oder du hast es noch nicht bemerkt.
Das Ziel dieses Kurzbeitrags besteht darin zu analysieren, ob Entscheidungsträgern in Unternehmen bestehende IT-Sicherheitsrisiken bewusst sind. Auf den ersten Blick erstaunt die Frage vielleicht etwas, weil es eine Vielzahl von Studien gibt, die besagen, dass IT-Sicherheit von vielen Entscheidern als das wichtigste Thema im Rahmen der digitalen Agenda angesehen wird (siehe z.B. Bitcom). Diese angebliche Priorisierung steht jedoch im Widerspruch zu einigen Expertengesprächen, die wir mit Führungskräften durchgeführt haben und die von vielen unterlassenen Investitionen in IT-Sicherheitslösungen berichteten. Daher haben wir uns entschieden, die Frage nach der Bedeutung des Themas IT-Sicherheit mit Hilfe einer etwas größer angelegten Studie zu untersuchen. Grundlage unserer Studie, die in Zusammenarbeit mit der Lünendonk GmbH durchgeführt wurde, ist eine Befragung von 103 Entscheidungsträgern, überwiegend CIOs und IT-Leitern. Dabei ist es natürlich naheliegend, diese Entscheider nicht direkt zu fragen, ob IT-Sicherheit ein wichtiges Thema ist. Die Antwort wäre klar und die Ergebnisse langweilig. Daher haben wir die Entscheider gebeten, einerseits zu bewerten, wie gut ihr eigenes Unternehmen auf Herausforderungen im Bereich IT-Sicherheit vorbereitet ist und einzuschätzen, ob das Gleiche für andere Unternehmen gilt. Die Antworten auf diese beiden Fragen sind in der folgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung 1: Einschätzung der eigenen Vorbereitung auf IT-sicherheitsrelevante Herausforderungen im Vergleich zu konkurrierenden Unternehmen (von +2 sehr gut vorbereitet bis -2 gar nicht vorbereitet)

Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten der Meinung sind, dass ihr eigenes Unternehmen deutlich besser auf Herausforderungen im Bereich IT-Sicherheit vorbereitet ist als andere konkurrierende Unternehmen. Um es deutlich zu machen: Natürlich kann es in bestimmten Fällen sein, dass ein Unternehmen besser vorbereitet ist als andere Unternehmen, aber dass dies für alle Unternehmen gilt, ist nicht möglich. Die Ergebnisse sind auf Basis eines T-Tests statistisch signifikant. In der Psychologie spricht man in diesem Fall auch von einem sogenannten unrealistischen Optimismus. Dieser besagt, dass Menschen dazu tendieren, ihr eigenes Risiko im Vergleich zu anderen verzerrt wahrzunehmen und zu unterschätzen.
Überträgt man diese Ergebnisse aus der psychologischen Forschung auf unser Beispiel, bedeutet dies, dass die Unternehmen ihr eigenes IT-Sicherheitsrisiko systematisch unterschätzen. Eine Vermutung ist, dass sich Unternehmen hinsichtlich ihrer Investitionen in IT-Sicherheit ähnlich verhalten wie es Endnutzer bei der Preisgabe von persönlichen Informationen tun. Man spricht hier auch vom sogenannten Privacy-Paradox, das vereinfacht ausgedrückt bedeutet, dass viele Leute zwar behaupten, dass ihnen ihre Privatsphäre sehr wichtig sei, tatsächlich aber andere Werte höher bewerten und sich unvorsichtig verhalten. So geben die Nutzer Informationen preis und bereuen dies später nicht selten. Dabei gehen sie häufig (unrealistisch optimistisch) davon aus, dass ihnen schon nichts passieren wird. In der Wissenschaft spricht man hier von einem Intention-Behavior-Gap. Ein ähnliches Verhalten scheint es in Unternehmen zu geben: Kaum jemand würde behaupten, dass IT-Sicherheit für Unternehmen kein relevantes Thema wäre. Dennoch werden wichtige Investitionen in IT-Sicherheit aufgrund eines unrealistischen Optimismus nicht getätigt oder verschoben. Auch hier scheint die Maxime zu gelten, die sich auch bei Endnutzern beobachten lässt: „Uns wird schon nichts passieren.“ Dieses IT-Sicherheits-Paradox ist aus zwei Gründen hochproblematisch. Zum einen wird im Extremfall auf diese Weise die Existenz des gesamten Unternehmens aufs Spiel gesetzt. Zum anderen können unterlassene Investitionen in die eigene IT-Sicherheit die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft gefährden. Was für die Digitalisierung der Wirtschaft als solche gilt, gilt auch für den Bereich IT-Sicherheit – der manchmal auch als die „ugly sister of digitalization“ bezeichnet wird – sie muss Chefsache werden.

Literaturverzeichnis
Bazerman, Max H., Ann E. Tenbrunsel, and Kimberly Wade-Benzoni. „Negotiating with yourself and losing: Making decisions with competing internal preferences.“ Academy of Management Review 23.2 (1998): 225-241.
Sheeran, Paschal. „Intention—behavior relations: A conceptual and empirical review.“ European review of social psychology 12.1 (2002): 1-36.
Sonnenschein, Rabea, André Loske, and Peter Buxmann. „Which IT Security Investments Will Pay Off for Suppliers? Using the Kano Model to Determine Customers‘ Willingness to Pay.“ 49th Hawaii International Conference on (2016).
Weinstein, Neil D., and William M. Klein. „Unrealistic optimism: Present and future.“ Journal of Social and Clinical Psychology 15.1 (1996): 1-8.

Künstliche Intelligenz – Eine Managementperspektive (Teil 3): Die Anbieterseite

Die Anwendungspotenziale von KI für die Wirtschaft wurden bereits im zweiten Teil dieses Blogs behandelt. Daher wollen wir uns im Folgenden die Anbieterseite anschauen. Wer sind die wichtigsten Akteure auf dem KI-Markt? Es hat ein regelrechter Kampf um die Vorherrschaft begonnen. So hat Google kürzlich die Software „TensorFlow“, eine Bibliothek für Machine-Learning-Software, unter einer Open-Source-Lizenz kostenlos für Nutzer verfügbar gemacht. Interessanterweise folgten sowohl Microsoft als auch Facebook unmittelbar und stellten den Quellcode ihrer Tools „CNTK“ bzw. „Caffe2“ ebenfalls unter einer Open-Source-Lizenz bereit. Die Zielsetzung und die Strategie dieser Unternehmen ist klar: Es geht darum, sich Marktanteile auf dem Gebiet der KI zu sichern. Google war mit dieser Open-Source-Strategie übrigens vor ein paar Jahren schon mit dem Betriebssystem Android sehr erfolgreich, das mittlerweile – je nach Quelle – auf ca. 80 bis 90 Prozent aller Smartphones läuft.

Wie schon im ersten Blog dargelegt, bieten die immer größeren weltweit verfügbaren Datenmengen, verbesserte Algorithmen und nicht zuletzt auch steigende Rechner- und Prozessorleistungen der KI eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten. Im Bereich der Rechner- und Prozessorleistungen kommt gerade „the next big thing“ auf uns zu. Es ist noch unklar, wann diese Technologie einsatzbereit sein wird, aber Firmen wie Google oder IBM arbeiten bereits mit Hochdruck daran: Ein Quantencomputer könnte die Rechenleistung von IBM Watson millionenfach übertreffen. Das heißt, es könnten viel größere Datenmengen in kürzester Zeit von Algorithmen verarbeitet werden. Das hat übrigens nicht nur Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von KI-Algorithmen. Ein Beispiel für die Anwendung von Quantencomputern, das eher nachdenklich macht, sind die Möglichkeiten Krypto-Algorithmen in kürzester Zeit zu knacken. Wann ist es soweit, dass diese Quantencomputer-Technologie einsatzbereit ist? Hier gehen die Prognosen der Experten weit auseinander – sie reichen von drei Jahren (Google) bis hin zu mehreren Jahrzehnten.

Kommen wir zurück zur KI: Sowohl für Anbieter als auch für anwendende Unternehmen ist es höchste Zeit, sich mit diesen neuen Technologien und den Auswirkungen auf ihr Geschäft auseinanderzusetzen. Der Markt ist gigantisch. Accenture beispielsweise geht gemäß einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung davon aus, dass die weltweite Wirtschaftsleistung um zwölfeinhalb Billionen Euro zulegen kann.  PwC greift mit 14 Billionen sogar noch etwas höher. Schauen wir uns die Anbieter an, die diesen gigantischen Markt dominieren wollen, findet sich ein altbekanntes Muster: Es sind wieder US-amerikanische Firmen, die dabei sind, auf dem Gebiet der KI eine Führungsrolle zu übernehmen. Google und IBM übernehmen hier eine Vorreiterrolle. Auch Facebook, Microsoft und Amazon investieren kräftig. China ist ebenfalls mit dabei: So kündigte der chinesische Technologieminister Wan Gang vor wenigen Tagen einen nationalen KI-Plan an.  Europäische Anbieter laufen dagegen hinterher und die EU-Kommission kümmert sich anscheinend stärker darum, Digitalisierungsindexe von Ländern zu erstellen oder auch Firmen wie Google und Facebook zu verklagen (was nicht verkehrt sein muss, aber doch eher defensiv als zukunftsorientiert erscheint). Denn KI wird die Wirtschaft und Gesellschaft dramatisch verändern und es entsteht gerade ein gigantischer Markt. Viele haben das erkannt. Die Zukunft hat bereits begonnen.

Künstliche Intelligenz – Eine Managementperspektive (Teil 2): Wie sich KI auf die Wirtschaft auswirken wird

KI wird die Wirtschaft in den nächsten Jahren sehr stark verändern. Gemäß einer aktuellen Studie prognostizieren mehr als 70 Prozent der befragten Führungskräfte bis 2025 einen großen bis sehr großen Einfluss der KI auf ihre Unternehmensstrategie.[1]

Methodisch stehen derzeit Deep-Learning-Ansätze, etwa auf Basis von Künstlichen Neuronalen Netzen (KNN), hoch im Kurs und dies wird sich vermutlich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Demgegenüber sinkt die Bedeutung (regelbasierter) Expertensysteme deutlich. Häufig findet man auch eine Verbindung verschiedenster methodischer Ansätze. Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl interessanter Anwendungsgebiete mit Literaturquellen auf:

Quelle Einsatzgebiete von KI
Infosys (2016), S. 8 Big Data, Predictive Analytics, Maschinenlernen, Expertensysteme, neuronale Netzwerke
Irrgang &Klawitter (2010), S. 21 ff. Expertensysteme in Industrie, Medizin, Wissenschaft und Forschung, Militär, Spielen, Büroautomation, Wirtschaft und Finanzen, Lehre und Ausbildung, Bibliothekswesen, Ingenieurwissenschaften
Mainzer (2016), S. 172 ff. Industrie 4.0
Soprasteria (2017), S. 7 Robotic Process Automation (RPA), intelligente Automatisierungstechnologien, digitalen Assistenten, intelligente Sensorik, selbstlernende Maschinen
Bauer et al. (2017), S. 8 Autonomes Fahren, Predictive maintenance, Collaborative and context-aware robots, Yield enhancement in manufacturing, Automated quality testing, AI-enhanced supply chain management, Business support function automation
Purdy & Daugherty (2016), S.11 Computer Vision, Audio Processing, Natural Language Processing, Knowledge Representation, Maschinenlernen, Expertensysteme
Mills (2016), S. 3 Maschinenlernen, Natural Language Processing (NLP), Expertensysteme, Vision, Sprache, Planung, Robotik

Eine viel diskutierte Debatte dreht sich um die potenzielle Vernichtung von Arbeitsplätzen durch KI. Hierzu gibt es viele Studien, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen und die ich Ihnen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengestellt habe.

Quelle Auswirkungen auf Arbeitsmarkt

Chui, Manyika, & Miremadi (2016)

 

    • 45 Prozent der bezahlten Aktivitäten können automatisiert werden
    • 78 Prozent vorhersagbarer Arbeit ist automatisierbar
  • Arbeitsplatz von allen wird transformiert

Government (2016), S. 2.

    • Entstehung Arbeitsplätze in den Bereichen Entwicklung und Kontrolle von Künstlicher Intelligenz
  • Bedrohung von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsegment
Mainzer (2016), S. 178.

 

    • Entstehung Arbeitsplätze im Kundenservice, in der Mechatronik und Robotik
  • Überdisziplinäre Zusammenarbeit in Teams und gesteigerte Kooperationsfähigkeit notwendig
Wisskirchen et al. (2017), S. 14 ff.
    • 1/3 der Arbeit, welche einen Bachelor Abschluss voraussetzt, kann automatisiert werden
    • Gradueller Prozess
    • Keine Nachfrage mehr für einfache, repetitive Arbeit
  • Höhere Nachfrage für hochqualifizierte Arbeitnehmer (Verständnis für IT, Mathematik, Wissenschaft; soziale und interdisziplinäre Kompetenz)
Stanford University (2016)
    • Ersatz von Aufgaben statt gesamter Jobs in naher Zukunft
    • Schaffung neuer Arten von Jobs
    • Gradueller Prozess
    • Automatisierung von z.B. Radiologen, LKW Fahrern, Gärtnern
    • Kleinere Organisationsgrößen
  • Neue Märkte
Markoff (2011)
    • Neue Jobs am Ende der Wirtschaftspyramide
    • Verlust von Jobs in der Mitte der Wirtschaftspyramide
  • Verlangsamtes Wachstum von Jobs an der Spitze der Wirtschaftspyramide bedingt durch Automatisierung
PwC (2017)
    • 35 % existierender Jobs (Deutschland) sind durch Automatisierung bedroht
    • Natur der Jobs wird sich eher ändern, als dass Jobs verschwinden
    • Bedrohte Sektoren: Transport, Fertigung, Handel
    • Weniger bedrohte Sektoren: Bildung, Gesundheit, Sozialarbeit
  • Einkommensungleichheit wird steigen

Dabei kann ich mich auch aufgrund der völlig unterschiedlichen Ergebnisse des Eindrucks nicht erwehren, dass sich einige Autoren bei ihren Analysen auch an den Interessen ihrer Auftraggeber oder an zu erwartender Aufmerksamkeit im Netz orientieren.

Ich bin hier vorsichtig optimistisch und denke nicht, dass es durch KI zu einer massenweisen Vernichtung von Arbeitsplätzen kommen wird. Natürlich würde ich einem jungen Menschen vor dem Hintergrund der Fortschritte auf dem Gebiet des autonomen Fahrens heute nicht raten, den Beruf eines Bus- oder LKW-Fahrers zu wählen. Aber unter dem Strich wird es vermutlich ähnlich wie etwa bei der Automatisierung im Produktionsbereich ausgehen. Auch hier wurden viele Jobs durch Maschinen ersetzt, aber es wurden auch neue geschaffen und heute haben wir zum Glück eine vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit. Eine ähnliche Entwicklung am Arbeitsmarkt werden wir vermutlich auch beim Thema KI erleben, wobei es grundsätzlich zu einer Verschiebung hin zu Arbeitsplätzen für höher Qualifizierte kommen wird. Daher denke ich auch nicht, dass eine Robotersteuer, wie von Bill Gates gefordert, sinnvoll und notwendig ist.

Neben den Erfolgsmeldungen gibt es natürlich auch Fragestellungen, an denen sich die Algorithmen erfolglos die Zähne ausbeißen. Ein aktuelles Beispiel hierzu – nicht nur im Kontext Sozialer Netzwerke – ist die Erkennung von „Fake News“. Allerdings ist anzumerken, dass in Experimenten Menschen sogar noch schlechter als die Algorithmen abschneiden. Es wäre mal spannend, ob ein besserer Algorithmus den Satz „KI wird in 100 Jahren die Weltherrschaft übernehmen“ als Fake News oder wahr klassifizieren würde.

Ein Fehler in der öffentlichen Diskussion über KI besteht m. E. darin, dass häufig suggeriert wird, es gäbe eine Maschine, die über eine ähnliche Form von Intelligenz und Bewusstsein verfügt, wie wir Menschen. Stichwort: die Maschinen übernehmen die Macht über die Menschen. Informatiker sprechen in diesem Kontext auch von starker KI. Ich sehe hier keinen Grund zur Beunruhigung, denn von einer solchen Entwicklung sind wir m. E. noch meilenweit entfernt und ähnliche Horrorvisionen gab es schon vor Jahrzehnten. Es ist einfach schön schaurig und gruselig: Hollywood lässt grüßen.

Natürlich wäre es eine Fehleinschätzung zu denken, dass man einfach mal KI im Unternehmen einführt und auf einmal das Marketing, das Bestellwesen, die Softwareentwicklung etc. „intelligent“ sind. Vielmehr ist es so, dass wir von Algorithmen sprechen, die selbständig bestimmte Aufgaben durchführen, Entscheidungen treffen und dabei auch lernen, wie das etwa bei KNN der Fall ist. Das würde beispielsweise bedeuten, dass man in einem Unternehmen eine KI-basierte Predictive-Analytics-Anwendung in der Produktionssteuerung hätte und eine weitere KI-Anwendung, die in der Lage ist, Anomalien aufzudecken, die auf einen Sicherheitsvorfall hindeuten usw. Auch IBM Watson ist beispielsweise keine wirkliche „general purpose machine“ (auch wenn das Marketing dies schon durch den genial gewählten Namen „Watson“ geschickt suggeriert!), sondern dahinter verbergen sich einzelne und zum Teil sehr leistungsfähige Algorithmen für verschiedenste Anwendungsgebiete. Beispielsweise spielt eine Anwendung Schach, eine andere Jeopardy, eine dritte macht Spracherkennung usw.

Von der „starken“, alles beherrschenden KI sind wir also noch sehr weit weg und ich denke auch nicht, dass sie in absehbarer Zeit kommen wird. Es gibt hierzu aber auch andere Meinungen. Beispielsweise ist KI-Forscher Ray Kurzweil von Google recht ambitioniert und frei von Selbstzweifeln. Auf die Frage, ob es Gott gibt, antwortete er: „Noch nicht“.

Literatur

Accenture (2016): Why artificial intelligence is the future of growth

https://www.accenture.com/lv-en/_acnmedia/PDF-33/Accenture-Why-AI-is-the-Future-of-Growth.pdf

Bauer, H. et al. (2017): Smartening up with Artificial Intelligence (AI) – What’s in it for Germany and its Industrial Sector?

https://www.mckinsey.de/files/170419_mckinsey_ki_final_m.pdf

Chui, M., Manyika, J., & Miremadi, M. (2016): Where machines could replace humans—and where they can’t (yet) (2016)

http://www.mckinsey.com/business-functions/digital-mckinsey/our-insights/where-machines-could-replace-humans-and-where-they-cant-yet

E&Y (2016): Einsatz digitaler Technologien in der Immobilienwirtschaft

http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ey-einsatz-digitaler-technologien-in-der-immobilienwirtschaft/$FILE/ey-einsatz-digitaler-technologien-in-der-immobilienwirtschaft.pdf

Government, USA (2016): Artificial Intelligence, Automation, and the Economy  (2016)

https://obamawhitehouse.archives.gov/sites/whitehouse.gov/files/documents/Artificial-Intelligence-Automation-Economy.PDF

Infosys (2016): Amplifying Human Potenzial: Towards Purposeful Artificial Intelligence

https://www.infosys.com/aimaturity/Documents/amplifying-human-potential-CEO-report.pdf

Irrgang, B., & Klawitter, J. (2010): Künstliche Intelligenz: technologischer Traum oder gesellschaftliches Trauma?(2010)

https://hds.hebis.de/ulbda/Record/HEB381280861

Mainzer, K. (2016): Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen die Maschinen? (2016)

https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-662-48453-1

Markoff, J. (2011): Armies of Expensive Lawyers, Replaced by Cheaper Software (2011)

http://www.nytimes.com/2011/03/05/science/05legal.html

Mills, M. (2016): ARTIFICIAL INTELLIGENCE IN LAW: THE STATE OF PLAY 2016 (2016)

https://www.neotalogic.com/wp-content/uploads/2016/04/Artificial-Intelligence-in-Law-The-State-of-Play-2016.pdf

PwC (2016): Big Data for Big Decisions: Algorithmen halten Einzug in die Chefetage

https://www.pwc.de/de/business-analytics/assets/big-decisions-survey-2016.pdf

PwC (2017): Up to 30% of existing UK jobs could be impacted by automation by early 2030s, but this should be offset by job gains elsewhere in economy

http://pwc.blogs.com/press_room/2017/03/up-to-30-of-existing-uk-jobs-could-be-impacted-by-automation-by-early-2030s-but-this-should-be-offse.html

Sopra Steria Consulting (2017): Potentialstudie: Künstliche Intelligenz

https://www.soprasteria.de/docs/librariesprovider33/Studien/potenzialanalyse-künstliche-intelligenz-2017.pdf?sfvrsn=0

Stanford University (2016): One Hundred Year Study on Artificial Intelligence (AI100): Employment and Workplace (2016)

https://ai100.stanford.edu/2016-report/section-ii-ai-domain/employment-and-workplace

Wisskirchen, G, Biacabe, B. T., Bormann, U., Muntz, A., Niehaus, G., Soler, G. J., von Brauchitsch, B. (2017): Artificial Intelligence and Robotics and Their Impact on the Workplace. (2017)

http://matrixni.org/documents/artificial-intelligence-robotics-impact-workplace/

[1] Soprasteria (2017), S. 9.

Purpose Led Organizations – mehr als ein neuer Marketing-Hype?

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, wenn Sie im Bereich Innovation oder Digitalisierung einen neuen Begriff hören. Also ich werde mittlerweile in der Regel erst einmal skeptisch. Neulich „belehrte“ mich ein Berater beispielsweise, dass ich das Wort CDO falsch verwenden würde; es ginge nämlich in Wirklichkeit gar nicht um den Chief Digital Officer, sondern viel mehr um den Chief Disruptive Officer. Naja, der Mann wird es sicherlich wissen.

Jetzt zum Thema dieses Posts, der Purpose led Organization. Was steckt dahinter? Der Begriff ist nicht wirklich scharf definiert, aber im Grunde genommen handelt es sich um Organisationen (die sich selbst so bezeichnen), deren Zielsetzung nicht nur darin besteht, Geld zu verdienen, sondern sich auch für soziale, ökologische bzw. nachhaltige Ziele einzusetzen. Es geht auch darum, eine Unternehmenskultur zu etablieren, in der dieser „Purpose“ im Mittelpunkt der Strategien und des Handelns steht. Zudem ist die Purpose led Organization durch die Arbeit der Mitarbeiter in agilen Teams gekennzeichnet, in denen sie Eigenverantwortung tragen – auch für das Budget. Man spricht in diesem Kontext auch von einer Ende-zu-Ende-Verantwortung.

Ein interessantes Beispiel dafür ist „buurtzorg“, ein Modell aus Holland, welches aktuell die ambulante Pflege verändert. Aber auch Unternehmen aus der Softwareindustrie wollen diesen Weg gehen. So sollen beispielsweise die Mitarbeiter des Cloud-Anbieters Salesforce mindestens eine Woche im Jahr für gemeinnützige Organisationen arbeiten. Zudem stellen mehrere Softwareanbieter gemeinnützigen Organisationen zum Teil auch die eigenen Lösungen kostenlos zur Verfügung. Ein anderes Beispiel für eine Maßnahme auf dem Weg zur Purpose led Organization ist die Gestaltung des gesamten Ökosystems eines Unternehmens. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass auch Lieferanten und anderer Partner gewisse ethische Mindeststandards erfüllen müssen. Jetzt stellt sich aber natürlich auch die Frage, ob der Wandel zur Purpose led Organization mehr als reines Marketing ist. Seit mehreren Jahren werben Unternehmen ja mit unterschiedlichsten Slogans, die eher an eine Mission zur Verbesserung der Welt erinnern als an Unternehmen, die primär durch die Erwirtschaftung von Gewinnen getrieben sind.

Natürlich gibt es solche Unternehmen, die es mit der Zielsetzung der Purpose led Organization ernst meinen, während andere nur auf einen Trend aufspringen und auf ein besseres Image hoffen. Fatal ist es, wenn sich Organisationen lediglich einen „Purpose led“ -Anstrich geben und ansonsten wenige bis keine konkreten Maßnahmen entwickeln, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Fatal deswegen, weil Mitarbeiter, Partner und die Öffentlichkeit dies früher oder später bemerken werden.

Meiner Meinung nach werden Maßnahmen auf dem Weg zur Purpose led Organization häufig mit Marketing verbunden. Das ist so auch erstmal in Ordnung. Wenn sich nämlich die Zielsetzung, etwas „Gutes für die Welt zu tun“, mit Marketing und sogar Employer Branding gut in Einklang bringen lässt, dann ist das doch grundsätzlich eine gute Sache und wir dürfen gespannt sein, ob und inwieweit dieser Ansatz die Arbeitswelt verändern wird. Eine interessante Umfrage von EY zu diesem Thema finden Sie unter diesem Link. Eine – etwas selbstzentrierte – Übersicht über Purpose led Organizations bietet das Londoner Beratungshaus Radley Yeldar unter diesem Link.

Was denken Sie? Ist die Purpose led Organization mehr als geschicktes Marketing und Employer Branding? Lohnt es sich für die Unternehmen und wird das Konzept die Arbeitswelt verändern? Ich bin gespannt auf Ihre Einschätzung!

Der Wert von Daten und die Entwicklung datenbasierter Geschäftsmodelle

Wie lässt sich der ökonomische Wert von Daten bestimmen?

Mit der Digitalisierung sind viele Optionen entstanden, große Datenmengen zu sammeln, mit denen Firmen wie Facebook oder Google viel Geld verdienen. Und es kommen ständig neue Unternehmen dazu, die um die neue Währungseinheit im 21. Jahrhundert, das vielzitierte „neue Öl“, konkurrieren. Es stellt sich die Frage: Was sind unsere Daten eigentlich wert? Und wie lässt sich ihr ökonomischer Wert bestimmen?

Wir wollen uns diesen Fragen zunächst aus wissenschaftlicher Perspektive nähern: Jacob Marschak und Helmut Laux haben Modelle zur Berechnung von Datenwerten entwickelt. Diese Modelle basieren auf der (normativen) Entscheidungstheorie, die Modelle bereitstellt, um unterschiedliche Handlungsoptionen zu bewerten. Mithilfe dieser Modelle lässt sich der Wert von Informationen bestimmen, die eingeholt werden, um die beste der bestehenden Handlungsoptionen auszuwählen. Anmerkung: Ich schließe mich hier Carl Shapiro und Hal Varian an, die in ihrem wegweisendem Buch „Informationen Rules“ von 1998 Information als „everything that can be digitized“ definieren. Das Buch stellt die zentralen ökonomischen Grundlagen der digitalen Wirtschaft dar, die im wesentlich auch heute noch gelten.

Zurück zur Bewertung von Informationen. Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen, die zeigen, für welche Fälle diese Modelle zur Bewertung von Informationen grundsätzlich geeignet sind, ohne hier auf die Mathematik dahinter einzugehen:

  • Ein Unternehmen muss entscheiden, an welchen Standorten eine neue Niederlassung eröffnet werden soll. Es beschafft sich Informationen über das Bildungsniveau und die Kosten für Personal und Grundstücke an diesen Standorten.
  • Ein Unternehmen möchte ein etabliertes Produkt durch ein Neues ablösen und befragt seine Kunden, was sie für das neue Produkt zahlen würden.
  • Eine Familie sammelt Informationen zu verschiedenen Ländern, Hotels und Flügen, um den nächsten Sommerurlaub zu planen.

Wenn man nun die neuen Informationen in die Bewertungsbögen einträgt, die auf den Modellen zu Ermittlung der Informationswerte beruhen, dann verändert sich möglicherweise die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Ereignis eintritt. Es ergibt sich ein neuer Gewinnerwartungswert. Und die Differenz zwischen dem alten und dem neuen Gewinnerwartungswert beschreibt den Wert der neuen Informationen.

Diese Modelle bestimmen folglich den Wert von Informationen, mit denen die beste Handlungsoption ausgewählt werden kann.

Bis dato gibt es aber keine Modelle, anhand derer sich der Wert einer Kundendatenbank oder der Wert der Daten eines Social-Media-Anbieters direkt ermitteln ließen. Der Wert dieser Daten muss für den konkreten Einzelfall ermittelt werden, denn er hängt vom verwendeten Geschäftsmodell ab.

Wie lassen sich datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln?

Heute sammeln viele Unternehmen Daten, ohne überhaupt zu wissen, was sie damit später einmal anfangen wollen. Wie gesagt, Daten haben einen Wert – da ist es naheliegend, sie vorbeugend schon mal zu sammeln. Ich bekomme relativ häufig Anfragen von Unternehmen, die wissen möchten, was sie mit ihren gesammelten Daten denn nun anfangen können und wie man in diesem Zusammenhang mit dem Thema Privatsphäre umgeht.

Zum Einstieg bieten sich Verfahren an, die die Kreativität anregen, wie Brainstorming, ein Hackathon oder auch Design Thinking.

Wenn sich auf Basis der ersten Ergebnisse zeigt, dass es sich lohnen könnte, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, dann eignet sich das mittlerweile sehr bekannte  Modell Canvas von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur, um bestehende Geschäftsmodelle zu veranschaulichen oder zu dokumentieren. Wenn es aber darum geht, gänzlich neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, habe ich mit dem so genannten St. Gallener Ansatz von Alexander Gassmann sehr gute Erfahrungen gemacht. Dieser Ansatz stellt 55 Muster von erfolgreichen Geschäftsmodellen bereit. Bei der Arbeit an einem konkreten Fall, schaut man sich diese etablierten Muster an und überlegt, ob es sinnvoll sein könnte, sie auf eine neue Branche zu übertragen.

Wir haben kürzlich einen Workshop mit 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines großen Unternehmens aus dem Maschinenbau durchgeführt, um Ideen zu entwickeln, wie sich die Daten, die alltäglich u.a. von verschiedensten Sensoren gesammelt werden, gewinnbringend nutzen lassen. Das Ziel bestand darin, Geschäftsmodellinnovationen zu entwickeln, mit denen das Unternehmen von seiner Datensammlung profitiert.

Nach einer kurzen Einführung in das Thema Entwicklung von Geschäftsmodellen haben wir gemeinsam eine Datenlandkarte erstellt. Bei der Vorbereitung des Workshops hatten wir aus den verfügbaren Geschäftsmodell-Mustern des St. Gallener Ansatzes 27 herausgepickt, die uns im konkreten Fall interessant erschienen.

Im Verlauf des Workshops wurde dann jeweils eine Karte gezogen, bspw. das Muster „Razer & Blade“: Ein Produkt oder Service wird also sehr günstig oder sogar kostenlos an (potenzielle) Kunden verteilt, um im Anschluss mit  ergänzenden Dienstleistungen oder Produkten Geld zu verdienen.

Wenn alle das Prinzip des Musters verstanden hatten, diskutierte die Gruppe, ob diese Idee für das Unternehmen geeignet sein könnte. Alle Ideen wurden dokumentiert. Wenn die Diskussion abebbte, wurde die nächste Karte gezogen. Am Ende des Tages hatten wir knapp 40 Ideen entwickelt, wie auf Basis der verfügbaren Daten Services für Kunden entwickelt werden könnten. Auf Basis dieser 40 Ideen lässt sich nun auch der Wert der Daten für das jeweils konkrete Szenario berechnen – allerdings ohne Metamodell wie es von Jacob Marschak und Helmut Laux entwickelt wurde.

Wie Krawattenträger und Nerds gemeinsam digitale Innovationen entwickeln können

Digitale Innovationen

Die zunehmende Digitalisierung verändert das Wirtschaftsleben, den Alltag des Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes. Das bedeutet beispielsweise, dass etablierte Geschäftsmodelle infrage gestellt werden und neue Konkurrenten in den Markt eintreten, an die vor zehn Jahren kaum jemand gedacht hätte. Vor diesem Hintergrund stehen Unternehmen vor einer Vielzahl von organisatorischen und technischen Herausforderungen. Eine weitere Voraussetzung, um im globalen Digitalisierungswettbewerb bestehen zu können, ist das Vorhandensein von Kreativität in Unternehmen, die bei der Generierung digitaler Innovationen und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle eine Schlüsselrolle spielt.

Ein möglicher Ansatz zur Geschäftsmodellentwicklung ist die Nutzung etablierter Frameworks und Vorgehensweisen. Da diese Managementmodelle eher allgemein gehalten sind, lassen sie sich erfahrungsgemäß relativ gut an die Aufgabe der Entwicklung digitaler Innovationen und Ideen anpassen. Eine ergänzende Möglichkeit besteht in der Zusammenarbeit mit Partnern, um gemeinsam neue und frische Ideen zu entwickeln. Hierbei gibt es grundsätzlich eine Vielzahl von potenziellen Kooperationspartnern: Kunden, Zulieferer, Wettbewerber, Berater oder Startups. Auf die Zusammenarbeit mit der letztgenannten Gruppe wollen wir uns im Folgenden konzentrieren.

Grundlage ist eine qualitative Befragung zum Thema Digitalisierung der Wirtschaft und Wissenschaft, die wir im Zeitraum zwischen Juni und August 2015 durchgeführt haben. Befragt wurden 40 Experten bzw. Führungskräfte von etablierten Unternehmen, Startups sowie aus der Wissenschaft. Gegenstand der Untersuchung waren u.a. wirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung sowie die organisatorischen Herausforderungen insbesondere bei der Generierung neuer digitaler Innovationen.

Kooperationen als Schlüssel zum digitalen Innovationserfolg

Den Interviewergebnissen zufolge gelingt es nur wenigen etablierten Unternehmen, aus eigener Kraft digitale Innovationen zu generieren. Daher suchen sie in vielen Fällen  externe Innovationsimpulse, beispielsweise im Rahmen von Kooperationen mit jungen Unternehmen bzw. Startups. Ähnliche Zielsetzungen werden mit Open-Innovation-Ansätzen sowie mit dem Konzept des  sogenannten Corporate Entrepreneurship verfolgt. Das bedeutet, dass der Innovationsprozess über die Unternehmensgrenzen hinaus nach außen geöffnet wird bzw. das Ziel verfolgt wird, den Entrepreneurship-Gedanken auf das Unternehmen zu übertragen, um letztendlich das Innovationspotential des Unternehmens zu erhöhen. In der folgenden Abbildung sind verschiedene klassische Formen der Generierung von Innovationen dargestellt. Letztlich können diese gemeinsam von etablierten Unternehmen und Startups zur Generierung von digitalen Innovationen genutzt werden.

Krawattenträger und Nerds  – passt das zusammen?

Aus traditioneller Sicht könnte man gegen eine Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Startups kritisch einwenden, dass das kulturell nicht zusammenpasst. Auf der einen Seite (in vielen Fällen immer noch) Krawattenträger, auf der anderen Seite häufig „Nerds“, die nachts arbeiten und sich von Pizza und Cola ernähren. Erste Erfahrungen und Aussagen aus den von uns durchgeführten Interviews zeigen jedoch das Gegenteil. Die unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen sich in vielen Fällen hervorragend, so dass es gute Chancen gibt, dass beide Partner von einer Zusammenarbeit profitieren können.

Die Zielsetzung aus Sicht der etablierten Unternehmen besteht häufig darin, von den Startups zu lernen und sich ihre agilen Arbeitsweisen anzueignen. Zusätzlich besteht häufig ein Motiv darin, junge „Digital Natives“ kennenzulernen, um diese für das eigene Unternehmen zu gewinnen oder ggf. auch das Startup zu übernehmen. Aus der Sicht von Startups ist die Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass sie Know-how in Bereichen wie beispielsweise Marketing oder Vertrieb erlangen und auch ihr Netzwerke erweitern können. Einige haben auch sicherlich Interesse daran, übernommen zu werden und auf diese Weise schnell Geld zu verdienen.

Neben einer bilateralen Kooperation zwischen einem etablierten Unternehmen und einem Startups gibt es weitere Formen einer Zusammenarbeit. Hierzu gehören etwa Hackathons. Darunter werden Veranstaltungen verstanden, in denen innerhalb einer kurzen Zeit versucht wird, nützliche und innovative Produkte zu entwickeln. Auch hier sind Nachtschichten eher die Regel als die Ausnahme. Häufig werden im Rahmen solcher Hackathons Aufgaben formuliert, die von den Startups bearbeitet werden. So konnten wir kürzlich einen solchen Hackathon beobachten bzw. mitorganisieren, bei dem etablierte Unternehmen Teile ihres Datenmodells preisgaben und die Startups darauf aufbauend datenbasierte Geschäftsmodelle entwickelt haben. Auf dieser Basis werden zurzeit schließlich drei mobile Anwendungen entwickelt, die zukünftig den Kunden der etablierten Unternehmen angeboten werden sollen. Ein weiteres Beispiel ist ein von Merck organisiertes Hackathon im Gesundheitsbereich. Studentische Teams und Gründer sowie Gründerinnen arbeiteten 24 Stunden lang an konkreten Problemstellungen und entwarfen darauf aufbauend entsprechende Lösungen. Diese Lösungen reichten von einem Konzept für eine personalisierte Arzneimittelanwendung über die Sicherstellung der Patientenversorgung bis hin zu Ideen, um temperaturkritische Medikamententransporte online überwachen zu können.

Ein anderes Beispiel ist die Startup Safari der Deutschen Bahn AG. Fach- und Führungskräfte sollen während eines 7-tägigen Programms Methoden und Vorgehensweisen von Startups kennenlernen, indem sie u.a. bei einem Startup hospitieren. Eine solche Safari wurde kürzlich in Kooperation mit dem Gründungszentrum HIGHEST (Home of Innovation, Growth, Entrepreneurship and Technology Management) der Technischen Universität Darmstadt durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass dieses Austauschprogramm sowohl seitens der DB-Mitarbeiter als auch der Startups gegenseitig als sehr befruchtend empfunden wurde. Dies kann mit dem folgenden Beispiel unterstrichen werden: Während ein DB-Mitarbeiter seine Fach-Expertise in einer 4-tätigen Hospitation zur Verfügung stellte und gemeinsam mit dem Startup bspw. ein Marketingkonzept ausarbeitete, führte das Startup den DB-Mitarbeiter in seine agilen Arbeitsweisen ein. Dieser Perspektivenwechsel zeigte insbesondere den DB-Mitarbeitern, wie u.a. unterschiedliche Internet-Dienste für die Kommunikation genutzt werden, wie bspw. Slack, um alle Projektschritte und Dokumente auf dem aktuellsten Stand zu halten. Darüber hinaus beeindruckte es einigen DB-Mitarbeitern, wie Entscheidungen von den Startups innerhalb relativ kurzer Zeit getroffen werden. Diese beispielhaft dargestellten agilen Arbeitsweisen wirken zwar auf den ersten Blick etwas unstrukturiert, basieren jedoch u.a. auf dem Lean-Startup-Ansatz, der es ermöglicht, mit schlanken Strukturen und ohne umfangreicher Planung, agil und erfolgreich zu agieren.

Immer mehr Großunternehmen investieren zudem in Corporate Incubatoren, wie beispielsweise die Lufthansa in Berlin oder die Commerzbank in Frankfurt am Main. Mit solchen Aktivitäten verfolgen etablierte Unternehmen laut einem CEO eines IT-Beratungshauses insbesondere das Ziel: „[…] diesen Gründungstouch auch da (in das Unternehmen) mit reinzunehmen“. So sei die Kooperation mit Startups „[…] eine ganz zentrale Chance letztendlich für große Unternehmen.“ Eine weitere Aussage aus Sicht eines Infrastrukturanbieters lautet: „Wir arbeiten natürlich gerne mit Startups zusammen. […] da stecken meist unheimlich kreative Köpfe dahinter, […] und wir können viel von ihnen lernen.“

Bei einer Betrachtung der Interviewaussagen der Startups wird deutlich, dass auch sie in einer Zusammenarbeit große Chancen sehen. Ein Gründer eines Startups aus dem Digitalbereich beschreibt die sich eröffnende Möglichkeiten wie folgt: „Kooperationen geht man in der Regel ein, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Man könnte bspw. dann PR-mäßig kooperieren, u.a. auch die Medienpräsenz zu erhöhen.“ Jedoch wird seitens der Startups auch darauf hingewiesen, dass eine Zusammenarbeit – natürlich – nicht immer eine Erfolgsgarantie darstellt. So verdeutlicht ein Gründer eines Startups aus dem Hightech-Bereich: „Etablierte Unternehmen klauen mir auch Know-how, es gibt schließlich einen Grund, warum sie mit mir kooperieren möchten. Sie möchten Geld verdienen.“ Anhand dieser Interviewaussagen wird deutlich, dass es sowohl Chancen als auch Herausforderungen für etablierte Unternehmen gibt, wenn sie solche Kooperationen mit Startups eingehen.

Fazit

Die Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Startups eröffnet den beteiligten Partnern in vielen Fällen neue Chancen bei der Generierung digitaler Innovationen. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg solcher Kooperationen besteht darin, dass beide Seiten profitieren, die „Chemie“ zwischen den Beteiligten stimmt und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfindet. Erfahrungen zeigen, dass unter diesen Bedingungen solche Kooperationen für beide Partner von Vorteil sein können: So bekommen einerseits etablierte Unternehmen Einblicke in die agilen Arbeitsweisen von Startups und andererseits können junge Unternehmen von den Erfahrungen der etablierten Unternehmen und auch von deren Netzwerken profitieren. Ein wesentliches Motiv für die etablierten Unternehmen ist auch die Kontaktaufnahme mit jungen „Digital Natives“ bzw. IT-Fachkräften. Der Wettbewerb um diese meist jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird immer härter, was sich zuletzt auch in steigenden Gehältern niedergeschlagen hat. Ein CIO einer Großbank beschreibt diese Herausforderung folgendermaßen: „[…] man merkt schon, dass es immer schwieriger wird, gute qualifizierte IT-Fachkräfte zu finden. […] dies wird sich aufgrund des demografischen Wandels sicherlich noch weiter verschärfen.“

Etablierte Unternehmen stehen darüber hinaus häufig vor der Herausforderung, geeignete Startups für eine Zusammenarbeit zu finden. Eine mögliche Lösung kann eine Partnerschaft mit Gründungszentren an Hochschulen sein, da diese den Zugang zu kreativen Köpfen bzw. innovativen Startups ermöglichen.