Künstliche Intelligenz – Eine Managementperspektive (Teil 2): Wie sich KI auf die Wirtschaft auswirken wird

KI wird die Wirtschaft in den nächsten Jahren sehr stark verändern. Gemäß einer aktuellen Studie prognostizieren mehr als 70 Prozent der befragten Führungskräfte bis 2025 einen großen bis sehr großen Einfluss der KI auf ihre Unternehmensstrategie.[1]

Methodisch stehen derzeit Deep-Learning-Ansätze, etwa auf Basis von Künstlichen Neuronalen Netzen (KNN), hoch im Kurs und dies wird sich vermutlich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Demgegenüber sinkt die Bedeutung (regelbasierter) Expertensysteme deutlich. Häufig findet man auch eine Verbindung verschiedenster methodischer Ansätze. Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl interessanter Anwendungsgebiete mit Literaturquellen auf:

Quelle Einsatzgebiete von KI
Infosys (2016), S. 8 Big Data, Predictive Analytics, Maschinenlernen, Expertensysteme, neuronale Netzwerke
Irrgang &Klawitter (2010), S. 21 ff. Expertensysteme in Industrie, Medizin, Wissenschaft und Forschung, Militär, Spielen, Büroautomation, Wirtschaft und Finanzen, Lehre und Ausbildung, Bibliothekswesen, Ingenieurwissenschaften
Mainzer (2016), S. 172 ff. Industrie 4.0
Soprasteria (2017), S. 7 Robotic Process Automation (RPA), intelligente Automatisierungstechnologien, digitalen Assistenten, intelligente Sensorik, selbstlernende Maschinen
Bauer et al. (2017), S. 8 Autonomes Fahren, Predictive maintenance, Collaborative and context-aware robots, Yield enhancement in manufacturing, Automated quality testing, AI-enhanced supply chain management, Business support function automation
Purdy & Daugherty (2016), S.11 Computer Vision, Audio Processing, Natural Language Processing, Knowledge Representation, Maschinenlernen, Expertensysteme
Mills (2016), S. 3 Maschinenlernen, Natural Language Processing (NLP), Expertensysteme, Vision, Sprache, Planung, Robotik

Eine viel diskutierte Debatte dreht sich um die potenzielle Vernichtung von Arbeitsplätzen durch KI. Hierzu gibt es viele Studien, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen und die ich Ihnen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengestellt habe.

Quelle Auswirkungen auf Arbeitsmarkt

Chui, Manyika, & Miremadi (2016)

 

    • 45 Prozent der bezahlten Aktivitäten können automatisiert werden
    • 78 Prozent vorhersagbarer Arbeit ist automatisierbar
  • Arbeitsplatz von allen wird transformiert

Government (2016), S. 2.

    • Entstehung Arbeitsplätze in den Bereichen Entwicklung und Kontrolle von Künstlicher Intelligenz
  • Bedrohung von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsegment
Mainzer (2016), S. 178.

 

    • Entstehung Arbeitsplätze im Kundenservice, in der Mechatronik und Robotik
  • Überdisziplinäre Zusammenarbeit in Teams und gesteigerte Kooperationsfähigkeit notwendig
Wisskirchen et al. (2017), S. 14 ff.
    • 1/3 der Arbeit, welche einen Bachelor Abschluss voraussetzt, kann automatisiert werden
    • Gradueller Prozess
    • Keine Nachfrage mehr für einfache, repetitive Arbeit
  • Höhere Nachfrage für hochqualifizierte Arbeitnehmer (Verständnis für IT, Mathematik, Wissenschaft; soziale und interdisziplinäre Kompetenz)
Stanford University (2016)
    • Ersatz von Aufgaben statt gesamter Jobs in naher Zukunft
    • Schaffung neuer Arten von Jobs
    • Gradueller Prozess
    • Automatisierung von z.B. Radiologen, LKW Fahrern, Gärtnern
    • Kleinere Organisationsgrößen
  • Neue Märkte
Markoff (2011)
    • Neue Jobs am Ende der Wirtschaftspyramide
    • Verlust von Jobs in der Mitte der Wirtschaftspyramide
  • Verlangsamtes Wachstum von Jobs an der Spitze der Wirtschaftspyramide bedingt durch Automatisierung
PwC (2017)
    • 35 % existierender Jobs (Deutschland) sind durch Automatisierung bedroht
    • Natur der Jobs wird sich eher ändern, als dass Jobs verschwinden
    • Bedrohte Sektoren: Transport, Fertigung, Handel
    • Weniger bedrohte Sektoren: Bildung, Gesundheit, Sozialarbeit
  • Einkommensungleichheit wird steigen

Dabei kann ich mich auch aufgrund der völlig unterschiedlichen Ergebnisse des Eindrucks nicht erwehren, dass sich einige Autoren bei ihren Analysen auch an den Interessen ihrer Auftraggeber oder an zu erwartender Aufmerksamkeit im Netz orientieren.

Ich bin hier vorsichtig optimistisch und denke nicht, dass es durch KI zu einer massenweisen Vernichtung von Arbeitsplätzen kommen wird. Natürlich würde ich einem jungen Menschen vor dem Hintergrund der Fortschritte auf dem Gebiet des autonomen Fahrens heute nicht raten, den Beruf eines Bus- oder LKW-Fahrers zu wählen. Aber unter dem Strich wird es vermutlich ähnlich wie etwa bei der Automatisierung im Produktionsbereich ausgehen. Auch hier wurden viele Jobs durch Maschinen ersetzt, aber es wurden auch neue geschaffen und heute haben wir zum Glück eine vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit. Eine ähnliche Entwicklung am Arbeitsmarkt werden wir vermutlich auch beim Thema KI erleben, wobei es grundsätzlich zu einer Verschiebung hin zu Arbeitsplätzen für höher Qualifizierte kommen wird. Daher denke ich auch nicht, dass eine Robotersteuer, wie von Bill Gates gefordert, sinnvoll und notwendig ist.

Neben den Erfolgsmeldungen gibt es natürlich auch Fragestellungen, an denen sich die Algorithmen erfolglos die Zähne ausbeißen. Ein aktuelles Beispiel hierzu – nicht nur im Kontext Sozialer Netzwerke – ist die Erkennung von „Fake News“. Allerdings ist anzumerken, dass in Experimenten Menschen sogar noch schlechter als die Algorithmen abschneiden. Es wäre mal spannend, ob ein besserer Algorithmus den Satz „KI wird in 100 Jahren die Weltherrschaft übernehmen“ als Fake News oder wahr klassifizieren würde.

Ein Fehler in der öffentlichen Diskussion über KI besteht m. E. darin, dass häufig suggeriert wird, es gäbe eine Maschine, die über eine ähnliche Form von Intelligenz und Bewusstsein verfügt, wie wir Menschen. Stichwort: die Maschinen übernehmen die Macht über die Menschen. Informatiker sprechen in diesem Kontext auch von starker KI. Ich sehe hier keinen Grund zur Beunruhigung, denn von einer solchen Entwicklung sind wir m. E. noch meilenweit entfernt und ähnliche Horrorvisionen gab es schon vor Jahrzehnten. Es ist einfach schön schaurig und gruselig: Hollywood lässt grüßen.

Natürlich wäre es eine Fehleinschätzung zu denken, dass man einfach mal KI im Unternehmen einführt und auf einmal das Marketing, das Bestellwesen, die Softwareentwicklung etc. „intelligent“ sind. Vielmehr ist es so, dass wir von Algorithmen sprechen, die selbständig bestimmte Aufgaben durchführen, Entscheidungen treffen und dabei auch lernen, wie das etwa bei KNN der Fall ist. Das würde beispielsweise bedeuten, dass man in einem Unternehmen eine KI-basierte Predictive-Analytics-Anwendung in der Produktionssteuerung hätte und eine weitere KI-Anwendung, die in der Lage ist, Anomalien aufzudecken, die auf einen Sicherheitsvorfall hindeuten usw. Auch IBM Watson ist beispielsweise keine wirkliche „general purpose machine“ (auch wenn das Marketing dies schon durch den genial gewählten Namen „Watson“ geschickt suggeriert!), sondern dahinter verbergen sich einzelne und zum Teil sehr leistungsfähige Algorithmen für verschiedenste Anwendungsgebiete. Beispielsweise spielt eine Anwendung Schach, eine andere Jeopardy, eine dritte macht Spracherkennung usw.

Von der „starken“, alles beherrschenden KI sind wir also noch sehr weit weg und ich denke auch nicht, dass sie in absehbarer Zeit kommen wird. Es gibt hierzu aber auch andere Meinungen. Beispielsweise ist KI-Forscher Ray Kurzweil von Google recht ambitioniert und frei von Selbstzweifeln. Auf die Frage, ob es Gott gibt, antwortete er: „Noch nicht“.

Literatur

Accenture (2016): Why artificial intelligence is the future of growth

https://www.accenture.com/lv-en/_acnmedia/PDF-33/Accenture-Why-AI-is-the-Future-of-Growth.pdf

Bauer, H. et al. (2017): Smartening up with Artificial Intelligence (AI) – What’s in it for Germany and its Industrial Sector?

https://www.mckinsey.de/files/170419_mckinsey_ki_final_m.pdf

Chui, M., Manyika, J., & Miremadi, M. (2016): Where machines could replace humans—and where they can’t (yet) (2016)

http://www.mckinsey.com/business-functions/digital-mckinsey/our-insights/where-machines-could-replace-humans-and-where-they-cant-yet

E&Y (2016): Einsatz digitaler Technologien in der Immobilienwirtschaft

http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ey-einsatz-digitaler-technologien-in-der-immobilienwirtschaft/$FILE/ey-einsatz-digitaler-technologien-in-der-immobilienwirtschaft.pdf

Government, USA (2016): Artificial Intelligence, Automation, and the Economy  (2016)

https://obamawhitehouse.archives.gov/sites/whitehouse.gov/files/documents/Artificial-Intelligence-Automation-Economy.PDF

Infosys (2016): Amplifying Human Potenzial: Towards Purposeful Artificial Intelligence

https://www.infosys.com/aimaturity/Documents/amplifying-human-potential-CEO-report.pdf

Irrgang, B., & Klawitter, J. (2010): Künstliche Intelligenz: technologischer Traum oder gesellschaftliches Trauma?(2010)

https://hds.hebis.de/ulbda/Record/HEB381280861

Mainzer, K. (2016): Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen die Maschinen? (2016)

https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-662-48453-1

Markoff, J. (2011): Armies of Expensive Lawyers, Replaced by Cheaper Software (2011)

http://www.nytimes.com/2011/03/05/science/05legal.html

Mills, M. (2016): ARTIFICIAL INTELLIGENCE IN LAW: THE STATE OF PLAY 2016 (2016)

https://www.neotalogic.com/wp-content/uploads/2016/04/Artificial-Intelligence-in-Law-The-State-of-Play-2016.pdf

PwC (2016): Big Data for Big Decisions: Algorithmen halten Einzug in die Chefetage

https://www.pwc.de/de/business-analytics/assets/big-decisions-survey-2016.pdf

PwC (2017): Up to 30% of existing UK jobs could be impacted by automation by early 2030s, but this should be offset by job gains elsewhere in economy

http://pwc.blogs.com/press_room/2017/03/up-to-30-of-existing-uk-jobs-could-be-impacted-by-automation-by-early-2030s-but-this-should-be-offse.html

Sopra Steria Consulting (2017): Potentialstudie: Künstliche Intelligenz

https://www.soprasteria.de/docs/librariesprovider33/Studien/potenzialanalyse-künstliche-intelligenz-2017.pdf?sfvrsn=0

Stanford University (2016): One Hundred Year Study on Artificial Intelligence (AI100): Employment and Workplace (2016)

https://ai100.stanford.edu/2016-report/section-ii-ai-domain/employment-and-workplace

Wisskirchen, G, Biacabe, B. T., Bormann, U., Muntz, A., Niehaus, G., Soler, G. J., von Brauchitsch, B. (2017): Artificial Intelligence and Robotics and Their Impact on the Workplace. (2017)

http://matrixni.org/documents/artificial-intelligence-robotics-impact-workplace/

[1] Soprasteria (2017), S. 9.

Wie wirtschaftlich ist der Einsatz von Social Collaboration Tools?

Häufig ist in der digitalen Arbeitswelt das folgende Paradox zu beobachten: Über das Internet arbeiten wildfremde Menschen häufig kooperativer zusammen als das innerhalb von Unternehmen der Fall ist. Nehmen wir beispielsweise den Austausch von Quellcode (nicht selten hunderte Zeilen selbstentwickelte Software) unter Softwareentwicklern, die sich gar nicht persönlich kennen. Das Motiv ist häufig ganz einfach: Die Entwickler wollen sich gegenseitig helfen – oder auch später einmal nach dem Motto „eine Hand wäscht die andere“ profitieren. In Unternehmen finden sich in vielen Fällen ganz andere Denkmuster. Informationen werden zurückgehalten, gegenseitige Hilfe findet häufig aus Zeitmangel oder anderen Motiven kaum statt.

Im Rahmen unserer zum zweiten Mal durchgeführten Deutschen Social Collaboration Studie haben wir untersucht, ob der Einsatz von Social Collaboration Tools eine sinnvolle Unterstützung bieten kann, um die Zusammenarbeit von Mitarbeitern in Unternehmen zu verbessern. In diesem Kontext bezeichnet „Social Collaboration“ den Einsatz moderner Technologien, um neue Formen der Zusammenarbeit zu unterstützen bzw. Mitarbeiter besser zur Bewältigung aktueller Aufgaben zu befähigen. Ein Beispiel stellt der Einsatz von Enterprise Social Networks (ESN) dar. Im Rahmen der zweiten Social Collaboration Studie haben wir in Kooperation mit dem Beratungshaus Campana & Schott insgesamt 1005 Mitarbeiter aus verschiedensten Industrien befragt.

Anzahl der Befragten

Tätigkeitsfelder der Befragten

Branchen

Die Ergebnisse zeigen grundsätzlich positive Effekte der Investition in Social Collaboration Tools, wie die folgende Zusammenfassung zeigt:

Verbesserung der Unternehmenskultur

Um Aussagen über die Ziele des Einsatzes von Social Collaboration Tools zu erhalten, wurden Mitarbeiter mit Führungsverantwortung zu diesem Thema befragt. Interessanterweise rangiert die Verbesserung der Unternehmenskultur ganz oben auf der Liste der wichtigsten Ziele. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil traditionelle Prioritäten beim IT-Einsatz  wie beispielsweise Kostensenkungen offenbar in den Hintergrund treten.

Ziele von Social Collaboration

Die Studie zeigt zudem einen positiven Zusammenhang zwischen dem Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen und der Nutzung von Enterprise Social Networks. Das heißt, entweder nutzen Mitarbeiter, die sich tendenziell stärker mit dem Unternehmen identifizieren, eher stärker ein ESN – oder die ESN-Nutzung stärkt das Zugehörigkeitsgefühl.

Der Einsatz von Social Collaboration Tools führt zu einer höheren Arbeitseffizienz

In der Studie haben wir verschiedene Szenarien für den Einsatz von Social Collaboration Tools entwickelt und auf dieser Basis den Social Collaboration Reifegrad gemessen. Die Ergebnisse zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen diesem Reifegrad – vereinfacht ausgedrückt: der Intensität der Nutzung von Social Collaboration Tools für verschiedene Aufgabenstellungen – und der Arbeitseffizienz der Mitarbeiter:

Arbeitseffizienz der Mitarbeiter

Ein besonders positiver Zusammenhang existiert für den Einsatz von Enterprise Social Networks.

Social Collaboration Tools erhöhen die Innovationskraft

Die Innovationskraft kann durch den Einsatz dieser Tools und von Enterprise Social Networks insbesondere dadurch erhöht werden, dass die Zusammenarbeit in Teams besser unterstützt wird. Dies erfolgt wiederum dadurch, dass die ESN-Nutzung signifikant positiven Einfluss auf das Metawissen der Mitarbeiter hat. Wenn einer vom anderen weiß, mit welchen Themen er oder sie sich gerade beschäftigt und wer im Unternehmen über welche Spezialkenntnisse, Fähigkeiten und Connections verfügt, lassen sich neue Ideen besser kombinieren und schneller in marktreife Angebote überführen. Das Wissen in Bezug auf die Expertise der Kollegen wird dabei als „Who knows what“ bezeichnet. Die andere Dimension des Metawissens wird „Who knows whom“ genannt und repräsentiert das Wissen der Mitarbeiter in Bezug auf die Verbindungen ihrer Kollegen. Die Studie zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen dem Nutzungsgrad von Enterprise Social Networks und den beiden genannten Metawissen-Dimensionen.

Die gesamte Studie können Sie unter http://www.collaboration-studie.de/ herunterladen.

Digitalisierung verändert die Wirtschaft – nur uns betrifft das nicht

In der letzten Zeit werde ich immer häufiger gefragt, ob das Thema Digitalisierung nicht ein vorübergehender Hype sei, der von Marktforschungsinstituten, Beratungsgesellschaften, Medien und anderen immer weiter befeuert wird.

Meine deutliche Antwort lautet: Nein. Aber ich kann die Frage dennoch gut verstehen, denn wenn man sich die Inhalte mancher Kongresse oder auch die Newsfeeds vieler sozialer Netzwerke anschaut, ist der Tiefgang häufig überschaubar. Man findet viele neue Buzzwords, Binsenweisheiten, wie die Tatsache, dass Airbnb oder Uber die Hotel- bzw. Taxibranche verändern oder auch viele kaum belegbare und wenig differenziert vorgetragene Behauptungen, dass Blockchains zukünftig Banken und Energieanbieter ersetzen werden.

Aber viel gefährlicher als die häufig ahnungslosen und selbsternannten Evangelisten der Digitalisierung sind in meinen Augen jedoch die „Bremser“. Ein trauriges Beispiel ist aktuell im Rahmen der Digitalisierungspläne für Schulen zu finden. Nach den Plänen von Bildungsministerin Johanna Wanka soll der Bund in den kommenden fünf Jahren insgesamt fünf Milliarden Euro investieren, um Schulen mit Computern und WLAN auszustatten. Im Gegenzug für das Geld vom Bund sollen sich die Länder verpflichten, digitale Bildung umzusetzen – also Lehrer fortzubilden und Unterrichtskonzepte zu entwickeln. Wenn Sie mich fragen, ist das ein großer Schritt in die richtige Richtung, um Kinder und Jugendliche fit zu machen für die digitale Zukunft. Diese Meinung scheint der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, nicht zu teilen. Sein Statement: „Diese Euphorie ums Digitale kann ich gar nicht nachvollziehen“. Was soll man dazu noch sagen? Er gibt mit dieser Aussage wirklich alles, um ein weit verbreitetes bestehendes Vorurteil zu bestätigen.

Vor diesem Hintergrund finde ich die Frage spannend, ob die Digitalisierung in Unternehmen tatsächlich noch unterschätzt wird. Um dies herauszufinden, haben wir in Kooperation mit der Lünendonk GmbH und Cognizant Technology Solutions eine Umfrage durchgeführt. Ein Ergebnis der Studie: ja, die Folgen der Digitalisierung werden weiter unterschätzt. Etwas präziser: wir haben die teilnehmenden Unternehmen einerseits gefragt, ob die Digitalisierung in ihrem Unternehmen zu starken Veränderungen führen wird. Lediglich 17 Prozent haben dieser Aussage zugestimmt. Interessanterweise sind aber andererseits 30 Prozent der Ansicht, dass die Digitalisierung in anderen Unternehmen der gleichen Branche zu sehr großen Veränderungen führen wird.

unbenannt

Das erinnert mich an das aus der Psychologie bekannte Phänomen des „Unrealistischen Optimismus“. In einfachen Worten: Man gibt sich der Illusion hin, dass es immer nur die anderen, aber nicht einen selbst trifft.

Wie kommt es dazu, dass Unternehmen davon ausgehen, selber weniger von Veränderungen durch die Digitale Transformation betroffen zu sein als andere? Bei der Detailanalyse fällt auf, dass besonders die Unternehmensgröße einen Einfluss auf die Veränderungserwartung hat. Analysiert man die Ergebnisse anhand der Unternehmensgröße zeigt sich, dass insbesondere die großen Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern mit geringeren Veränderungen rechnen. Diese großen Unternehmen haben ihre Wurzeln häufig in der Old Economy. Die gesamte Studie können Sie hier herunterladen.

Das Konzept des Innovators Dilemma von Clayton Christensen, der in Harvard lehrt und forscht, zeigt, wie disruptive Innovationen ganze Branche verändern. Er erläuterte die Idee damals in den 90er Jahren an traditionellen Branchen, wie der Stahlindustrie. Das Konzept gilt aber umso stärker für die digitale Transformation. Ein bekanntes Beispiel für ein frühes Opfer der Digitalisierung ist Kodak.

Abschließend kann ich also nur noch einmal betonen, dass die Digitalisierung natürlich kein vorübergehender Hype ist und offenbar von vielen Unternehmen immer noch unterschätzt wird. Die Unternehmen sollten sich vom CEO über den CIO (evtl. auch CDO) bis hin zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fachabteilungen auf immer schneller werdende Veränderungen einstellen. Sowohl Startups als auch „etablierte“ Internet-Player wie die Big 4 (also Amazon, Apple, Facebook und Google) werden mit viel Kreativität sowie enormer Entwicklungspower in andere Branchen vordringen und dort etablierte Geschäftsmodelle in Frage stellen. Die Konsequenz ist klar – und damit kommen wir abschließend nochmal auf das Ergebnis der Studie zurück: Die Digitalisierung wird die gesamte Wirtschaft verändern und immer schneller neue Geschäftsmodelle hervorbringen – und diese Entwicklung wird nicht nur die anderen treffen.

Der Preis des Kostenlosen – Was sind unsere Daten wert?

Seit 2012 führen wir in Kooperation mit dem Radiosender hr-iNFO unsere Studie „Der Preis des Kostenlosen“ durch. Wir konzentrieren uns dabei insbesondere auf zwei Fragen:

1. Wie hoch ist die Akzeptanz für Geschäftsmodelle, die vordergründig kostenlos erscheinen, die aber eigentlich mit den Daten ihrer Nutzer Geld verdienen?
2. Was sind den Befragten ihre Daten wert?

Im Gegensatz zu den ersten beiden Untersuchungen haben wir dieses Mal eine repräsentative Stichprobe erhoben – wir hatten etwas mehr als 1000 Teilnehmer.

Mittlerweile entsteht insbesondere in den USA eine ganze Industrie, die mit Daten der Kunden Geld verdient. Beispielsweise kann man dort seine Daten, etwa die eigenen Lokationsdaten oder Kreditkartenumsätze, direkt an Anbieter verkaufen. Unsere Studie zeigt, dass dieses Prinzip für eine knappe Mehrheit der Befragten ein Geschäftsmodell ist wie jedes andere auch. Gleichzeitig würden die meisten ihre eigenen Daten aber nicht verkaufen.

Spannend: Je älter die Befragten sind, desto skeptischer sind sie in Bezug auf diese neuen Geschäftsmodelle. Ebenso steigt die Sorge, die sich die Befragten um ihre Privatsphäre machen, mit dem Alter an. Die Ergebnisse geben damit auch Hinweise darauf, wo die Reise mit den datenbasierten Geschäftsmodellen zukünftig hingehen könnte – wenn die Akzeptanz insbesondere bei den Jüngeren größer ist.alter_privacy

Ebenfalls bemerkenswert: Die meisten Teilnehmer der Studie überschätzen den Wert ihrer Daten drastisch und sind der Meinung, dass sie etwa bei Facebook nicht ausreichend für die Preisgabe ihrer Daten kompensiert werden. Es ist also nicht nur die Sorge um die eigene Privatsphäre, die dazu führt, dass viele Befragten den Deal „Daten gegen Service“ ablehnen: Die wahrgenommene Fairness dieser Angebote sinkt signifikant, je höher der Wert der eigenen Daten eingeschätzt wird.

Ein amüsantes Detail: Männer waren sich sehr sicher, dass sie den Wert ihrer Daten richtig einschätzen. Sie lagen aber genauso falsch wie die Frauen!

Dann noch eine spannende Zahl zu einem bemerkenswerten Paradox: Circa 60 Prozent der Facebook-Nutzer sagen, dass sie ihre Daten nie an die neuen Anbieter von datenbasierten Geschäftsmodellen verkaufen würden. Die Nutzer geben ihre Daten also kostenlos (in diesem Fall auf Facebook) preis, würden sie aber nicht verkaufen. Ein schöner Widerspruch, finde ich, den man psychologisch erklären kann. Wir haben statistisch kontrolliert, dass diese 60 Prozent der Befragten durchaus über den Wert der Daten nachdenken. Der Widerspruch lässt sich also nicht durch Gedankenlosigkeit erklären.
Wer mehr Interesse an diesem Thema hat, hier der Link zur Sendung vom Hessischen Rundfunk.

Im nächsten Beitrag werde ich meinen Blick auf die andere Seite lenken und darauf eingehen, welchen Wert die Daten für Unternehmen haben.

Wie Krawattenträger und Nerds gemeinsam digitale Innovationen entwickeln können

Digitale Innovationen

Die zunehmende Digitalisierung verändert das Wirtschaftsleben, den Alltag des Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes. Das bedeutet beispielsweise, dass etablierte Geschäftsmodelle infrage gestellt werden und neue Konkurrenten in den Markt eintreten, an die vor zehn Jahren kaum jemand gedacht hätte. Vor diesem Hintergrund stehen Unternehmen vor einer Vielzahl von organisatorischen und technischen Herausforderungen. Eine weitere Voraussetzung, um im globalen Digitalisierungswettbewerb bestehen zu können, ist das Vorhandensein von Kreativität in Unternehmen, die bei der Generierung digitaler Innovationen und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle eine Schlüsselrolle spielt.

Ein möglicher Ansatz zur Geschäftsmodellentwicklung ist die Nutzung etablierter Frameworks und Vorgehensweisen. Da diese Managementmodelle eher allgemein gehalten sind, lassen sie sich erfahrungsgemäß relativ gut an die Aufgabe der Entwicklung digitaler Innovationen und Ideen anpassen. Eine ergänzende Möglichkeit besteht in der Zusammenarbeit mit Partnern, um gemeinsam neue und frische Ideen zu entwickeln. Hierbei gibt es grundsätzlich eine Vielzahl von potenziellen Kooperationspartnern: Kunden, Zulieferer, Wettbewerber, Berater oder Startups. Auf die Zusammenarbeit mit der letztgenannten Gruppe wollen wir uns im Folgenden konzentrieren.

Grundlage ist eine qualitative Befragung zum Thema Digitalisierung der Wirtschaft und Wissenschaft, die wir im Zeitraum zwischen Juni und August 2015 durchgeführt haben. Befragt wurden 40 Experten bzw. Führungskräfte von etablierten Unternehmen, Startups sowie aus der Wissenschaft. Gegenstand der Untersuchung waren u.a. wirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung sowie die organisatorischen Herausforderungen insbesondere bei der Generierung neuer digitaler Innovationen.

Kooperationen als Schlüssel zum digitalen Innovationserfolg

Den Interviewergebnissen zufolge gelingt es nur wenigen etablierten Unternehmen, aus eigener Kraft digitale Innovationen zu generieren. Daher suchen sie in vielen Fällen  externe Innovationsimpulse, beispielsweise im Rahmen von Kooperationen mit jungen Unternehmen bzw. Startups. Ähnliche Zielsetzungen werden mit Open-Innovation-Ansätzen sowie mit dem Konzept des  sogenannten Corporate Entrepreneurship verfolgt. Das bedeutet, dass der Innovationsprozess über die Unternehmensgrenzen hinaus nach außen geöffnet wird bzw. das Ziel verfolgt wird, den Entrepreneurship-Gedanken auf das Unternehmen zu übertragen, um letztendlich das Innovationspotential des Unternehmens zu erhöhen. In der folgenden Abbildung sind verschiedene klassische Formen der Generierung von Innovationen dargestellt. Letztlich können diese gemeinsam von etablierten Unternehmen und Startups zur Generierung von digitalen Innovationen genutzt werden.

Krawattenträger und Nerds  – passt das zusammen?

Aus traditioneller Sicht könnte man gegen eine Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Startups kritisch einwenden, dass das kulturell nicht zusammenpasst. Auf der einen Seite (in vielen Fällen immer noch) Krawattenträger, auf der anderen Seite häufig „Nerds“, die nachts arbeiten und sich von Pizza und Cola ernähren. Erste Erfahrungen und Aussagen aus den von uns durchgeführten Interviews zeigen jedoch das Gegenteil. Die unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen sich in vielen Fällen hervorragend, so dass es gute Chancen gibt, dass beide Partner von einer Zusammenarbeit profitieren können.

Die Zielsetzung aus Sicht der etablierten Unternehmen besteht häufig darin, von den Startups zu lernen und sich ihre agilen Arbeitsweisen anzueignen. Zusätzlich besteht häufig ein Motiv darin, junge „Digital Natives“ kennenzulernen, um diese für das eigene Unternehmen zu gewinnen oder ggf. auch das Startup zu übernehmen. Aus der Sicht von Startups ist die Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass sie Know-how in Bereichen wie beispielsweise Marketing oder Vertrieb erlangen und auch ihr Netzwerke erweitern können. Einige haben auch sicherlich Interesse daran, übernommen zu werden und auf diese Weise schnell Geld zu verdienen.

Neben einer bilateralen Kooperation zwischen einem etablierten Unternehmen und einem Startups gibt es weitere Formen einer Zusammenarbeit. Hierzu gehören etwa Hackathons. Darunter werden Veranstaltungen verstanden, in denen innerhalb einer kurzen Zeit versucht wird, nützliche und innovative Produkte zu entwickeln. Auch hier sind Nachtschichten eher die Regel als die Ausnahme. Häufig werden im Rahmen solcher Hackathons Aufgaben formuliert, die von den Startups bearbeitet werden. So konnten wir kürzlich einen solchen Hackathon beobachten bzw. mitorganisieren, bei dem etablierte Unternehmen Teile ihres Datenmodells preisgaben und die Startups darauf aufbauend datenbasierte Geschäftsmodelle entwickelt haben. Auf dieser Basis werden zurzeit schließlich drei mobile Anwendungen entwickelt, die zukünftig den Kunden der etablierten Unternehmen angeboten werden sollen. Ein weiteres Beispiel ist ein von Merck organisiertes Hackathon im Gesundheitsbereich. Studentische Teams und Gründer sowie Gründerinnen arbeiteten 24 Stunden lang an konkreten Problemstellungen und entwarfen darauf aufbauend entsprechende Lösungen. Diese Lösungen reichten von einem Konzept für eine personalisierte Arzneimittelanwendung über die Sicherstellung der Patientenversorgung bis hin zu Ideen, um temperaturkritische Medikamententransporte online überwachen zu können.

Ein anderes Beispiel ist die Startup Safari der Deutschen Bahn AG. Fach- und Führungskräfte sollen während eines 7-tägigen Programms Methoden und Vorgehensweisen von Startups kennenlernen, indem sie u.a. bei einem Startup hospitieren. Eine solche Safari wurde kürzlich in Kooperation mit dem Gründungszentrum HIGHEST (Home of Innovation, Growth, Entrepreneurship and Technology Management) der Technischen Universität Darmstadt durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass dieses Austauschprogramm sowohl seitens der DB-Mitarbeiter als auch der Startups gegenseitig als sehr befruchtend empfunden wurde. Dies kann mit dem folgenden Beispiel unterstrichen werden: Während ein DB-Mitarbeiter seine Fach-Expertise in einer 4-tätigen Hospitation zur Verfügung stellte und gemeinsam mit dem Startup bspw. ein Marketingkonzept ausarbeitete, führte das Startup den DB-Mitarbeiter in seine agilen Arbeitsweisen ein. Dieser Perspektivenwechsel zeigte insbesondere den DB-Mitarbeitern, wie u.a. unterschiedliche Internet-Dienste für die Kommunikation genutzt werden, wie bspw. Slack, um alle Projektschritte und Dokumente auf dem aktuellsten Stand zu halten. Darüber hinaus beeindruckte es einigen DB-Mitarbeitern, wie Entscheidungen von den Startups innerhalb relativ kurzer Zeit getroffen werden. Diese beispielhaft dargestellten agilen Arbeitsweisen wirken zwar auf den ersten Blick etwas unstrukturiert, basieren jedoch u.a. auf dem Lean-Startup-Ansatz, der es ermöglicht, mit schlanken Strukturen und ohne umfangreicher Planung, agil und erfolgreich zu agieren.

Immer mehr Großunternehmen investieren zudem in Corporate Incubatoren, wie beispielsweise die Lufthansa in Berlin oder die Commerzbank in Frankfurt am Main. Mit solchen Aktivitäten verfolgen etablierte Unternehmen laut einem CEO eines IT-Beratungshauses insbesondere das Ziel: „[…] diesen Gründungstouch auch da (in das Unternehmen) mit reinzunehmen“. So sei die Kooperation mit Startups „[…] eine ganz zentrale Chance letztendlich für große Unternehmen.“ Eine weitere Aussage aus Sicht eines Infrastrukturanbieters lautet: „Wir arbeiten natürlich gerne mit Startups zusammen. […] da stecken meist unheimlich kreative Köpfe dahinter, […] und wir können viel von ihnen lernen.“

Bei einer Betrachtung der Interviewaussagen der Startups wird deutlich, dass auch sie in einer Zusammenarbeit große Chancen sehen. Ein Gründer eines Startups aus dem Digitalbereich beschreibt die sich eröffnende Möglichkeiten wie folgt: „Kooperationen geht man in der Regel ein, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Man könnte bspw. dann PR-mäßig kooperieren, u.a. auch die Medienpräsenz zu erhöhen.“ Jedoch wird seitens der Startups auch darauf hingewiesen, dass eine Zusammenarbeit – natürlich – nicht immer eine Erfolgsgarantie darstellt. So verdeutlicht ein Gründer eines Startups aus dem Hightech-Bereich: „Etablierte Unternehmen klauen mir auch Know-how, es gibt schließlich einen Grund, warum sie mit mir kooperieren möchten. Sie möchten Geld verdienen.“ Anhand dieser Interviewaussagen wird deutlich, dass es sowohl Chancen als auch Herausforderungen für etablierte Unternehmen gibt, wenn sie solche Kooperationen mit Startups eingehen.

Fazit

Die Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Startups eröffnet den beteiligten Partnern in vielen Fällen neue Chancen bei der Generierung digitaler Innovationen. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg solcher Kooperationen besteht darin, dass beide Seiten profitieren, die „Chemie“ zwischen den Beteiligten stimmt und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfindet. Erfahrungen zeigen, dass unter diesen Bedingungen solche Kooperationen für beide Partner von Vorteil sein können: So bekommen einerseits etablierte Unternehmen Einblicke in die agilen Arbeitsweisen von Startups und andererseits können junge Unternehmen von den Erfahrungen der etablierten Unternehmen und auch von deren Netzwerken profitieren. Ein wesentliches Motiv für die etablierten Unternehmen ist auch die Kontaktaufnahme mit jungen „Digital Natives“ bzw. IT-Fachkräften. Der Wettbewerb um diese meist jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird immer härter, was sich zuletzt auch in steigenden Gehältern niedergeschlagen hat. Ein CIO einer Großbank beschreibt diese Herausforderung folgendermaßen: „[…] man merkt schon, dass es immer schwieriger wird, gute qualifizierte IT-Fachkräfte zu finden. […] dies wird sich aufgrund des demografischen Wandels sicherlich noch weiter verschärfen.“

Etablierte Unternehmen stehen darüber hinaus häufig vor der Herausforderung, geeignete Startups für eine Zusammenarbeit zu finden. Eine mögliche Lösung kann eine Partnerschaft mit Gründungszentren an Hochschulen sein, da diese den Zugang zu kreativen Köpfen bzw. innovativen Startups ermöglichen.