Künstliche Intelligenz – Eine Managementperspektive (Teil 2): Wie sich KI auf die Wirtschaft auswirken wird
KI wird die Wirtschaft in den nächsten Jahren sehr stark verändern. Gemäß einer aktuellen Studie prognostizieren mehr als 70 Prozent der befragten Führungskräfte bis 2025 einen großen bis sehr großen Einfluss der KI auf ihre Unternehmensstrategie.[1]
Methodisch stehen derzeit Deep-Learning-Ansätze, etwa auf Basis von Künstlichen Neuronalen Netzen (KNN), hoch im Kurs und dies wird sich vermutlich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Demgegenüber sinkt die Bedeutung (regelbasierter) Expertensysteme deutlich. Häufig findet man auch eine Verbindung verschiedenster methodischer Ansätze. Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl interessanter Anwendungsgebiete mit Literaturquellen auf:
Quelle | Einsatzgebiete von KI |
Infosys (2016), S. 8 | Big Data, Predictive Analytics, Maschinenlernen, Expertensysteme, neuronale Netzwerke |
Irrgang &Klawitter (2010), S. 21 ff. | Expertensysteme in Industrie, Medizin, Wissenschaft und Forschung, Militär, Spielen, Büroautomation, Wirtschaft und Finanzen, Lehre und Ausbildung, Bibliothekswesen, Ingenieurwissenschaften |
Mainzer (2016), S. 172 ff. | Industrie 4.0 |
Soprasteria (2017), S. 7 | Robotic Process Automation (RPA), intelligente Automatisierungstechnologien, digitalen Assistenten, intelligente Sensorik, selbstlernende Maschinen |
Bauer et al. (2017), S. 8 | Autonomes Fahren, Predictive maintenance, Collaborative and context-aware robots, Yield enhancement in manufacturing, Automated quality testing, AI-enhanced supply chain management, Business support function automation |
Purdy & Daugherty (2016), S.11 | Computer Vision, Audio Processing, Natural Language Processing, Knowledge Representation, Maschinenlernen, Expertensysteme |
Mills (2016), S. 3 | Maschinenlernen, Natural Language Processing (NLP), Expertensysteme, Vision, Sprache, Planung, Robotik |
Eine viel diskutierte Debatte dreht sich um die potenzielle Vernichtung von Arbeitsplätzen durch KI. Hierzu gibt es viele Studien, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen und die ich Ihnen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengestellt habe.
Quelle | Auswirkungen auf Arbeitsmarkt |
Chui, Manyika, & Miremadi (2016)
|
|
Government (2016), S. 2. |
|
Mainzer (2016), S. 178.
|
|
Wisskirchen et al. (2017), S. 14 ff. |
|
Stanford University (2016) |
|
Markoff (2011) |
|
PwC (2017) |
|
Dabei kann ich mich auch aufgrund der völlig unterschiedlichen Ergebnisse des Eindrucks nicht erwehren, dass sich einige Autoren bei ihren Analysen auch an den Interessen ihrer Auftraggeber oder an zu erwartender Aufmerksamkeit im Netz orientieren.
Ich bin hier vorsichtig optimistisch und denke nicht, dass es durch KI zu einer massenweisen Vernichtung von Arbeitsplätzen kommen wird. Natürlich würde ich einem jungen Menschen vor dem Hintergrund der Fortschritte auf dem Gebiet des autonomen Fahrens heute nicht raten, den Beruf eines Bus- oder LKW-Fahrers zu wählen. Aber unter dem Strich wird es vermutlich ähnlich wie etwa bei der Automatisierung im Produktionsbereich ausgehen. Auch hier wurden viele Jobs durch Maschinen ersetzt, aber es wurden auch neue geschaffen und heute haben wir zum Glück eine vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit. Eine ähnliche Entwicklung am Arbeitsmarkt werden wir vermutlich auch beim Thema KI erleben, wobei es grundsätzlich zu einer Verschiebung hin zu Arbeitsplätzen für höher Qualifizierte kommen wird. Daher denke ich auch nicht, dass eine Robotersteuer, wie von Bill Gates gefordert, sinnvoll und notwendig ist.
Neben den Erfolgsmeldungen gibt es natürlich auch Fragestellungen, an denen sich die Algorithmen erfolglos die Zähne ausbeißen. Ein aktuelles Beispiel hierzu – nicht nur im Kontext Sozialer Netzwerke – ist die Erkennung von „Fake News“. Allerdings ist anzumerken, dass in Experimenten Menschen sogar noch schlechter als die Algorithmen abschneiden. Es wäre mal spannend, ob ein besserer Algorithmus den Satz „KI wird in 100 Jahren die Weltherrschaft übernehmen“ als Fake News oder wahr klassifizieren würde.
Ein Fehler in der öffentlichen Diskussion über KI besteht m. E. darin, dass häufig suggeriert wird, es gäbe eine Maschine, die über eine ähnliche Form von Intelligenz und Bewusstsein verfügt, wie wir Menschen. Stichwort: die Maschinen übernehmen die Macht über die Menschen. Informatiker sprechen in diesem Kontext auch von starker KI. Ich sehe hier keinen Grund zur Beunruhigung, denn von einer solchen Entwicklung sind wir m. E. noch meilenweit entfernt und ähnliche Horrorvisionen gab es schon vor Jahrzehnten. Es ist einfach schön schaurig und gruselig: Hollywood lässt grüßen.
Natürlich wäre es eine Fehleinschätzung zu denken, dass man einfach mal KI im Unternehmen einführt und auf einmal das Marketing, das Bestellwesen, die Softwareentwicklung etc. „intelligent“ sind. Vielmehr ist es so, dass wir von Algorithmen sprechen, die selbständig bestimmte Aufgaben durchführen, Entscheidungen treffen und dabei auch lernen, wie das etwa bei KNN der Fall ist. Das würde beispielsweise bedeuten, dass man in einem Unternehmen eine KI-basierte Predictive-Analytics-Anwendung in der Produktionssteuerung hätte und eine weitere KI-Anwendung, die in der Lage ist, Anomalien aufzudecken, die auf einen Sicherheitsvorfall hindeuten usw. Auch IBM Watson ist beispielsweise keine wirkliche „general purpose machine“ (auch wenn das Marketing dies schon durch den genial gewählten Namen „Watson“ geschickt suggeriert!), sondern dahinter verbergen sich einzelne und zum Teil sehr leistungsfähige Algorithmen für verschiedenste Anwendungsgebiete. Beispielsweise spielt eine Anwendung Schach, eine andere Jeopardy, eine dritte macht Spracherkennung usw.
Von der „starken“, alles beherrschenden KI sind wir also noch sehr weit weg und ich denke auch nicht, dass sie in absehbarer Zeit kommen wird. Es gibt hierzu aber auch andere Meinungen. Beispielsweise ist KI-Forscher Ray Kurzweil von Google recht ambitioniert und frei von Selbstzweifeln. Auf die Frage, ob es Gott gibt, antwortete er: „Noch nicht“.
Literatur
Accenture (2016): Why artificial intelligence is the future of growth
https://www.accenture.com/lv-en/_acnmedia/PDF-33/Accenture-Why-AI-is-the-Future-of-Growth.pdf
Bauer, H. et al. (2017): Smartening up with Artificial Intelligence (AI) – What’s in it for Germany and its Industrial Sector?
https://www.mckinsey.de/files/170419_mckinsey_ki_final_m.pdf
Chui, M., Manyika, J., & Miremadi, M. (2016): Where machines could replace humans—and where they can’t (yet) (2016)
E&Y (2016): Einsatz digitaler Technologien in der Immobilienwirtschaft
Government, USA (2016): Artificial Intelligence, Automation, and the Economy (2016)
Infosys (2016): Amplifying Human Potenzial: Towards Purposeful Artificial Intelligence
https://www.infosys.com/aimaturity/Documents/amplifying-human-potential-CEO-report.pdf
Irrgang, B., & Klawitter, J. (2010): Künstliche Intelligenz: technologischer Traum oder gesellschaftliches Trauma?(2010)
https://hds.hebis.de/ulbda/Record/HEB381280861
Mainzer, K. (2016): Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen die Maschinen? (2016)
https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-662-48453-1
Markoff, J. (2011): Armies of Expensive Lawyers, Replaced by Cheaper Software (2011)
http://www.nytimes.com/2011/03/05/science/05legal.html
Mills, M. (2016): ARTIFICIAL INTELLIGENCE IN LAW: THE STATE OF PLAY 2016 (2016)
PwC (2016): Big Data for Big Decisions: Algorithmen halten Einzug in die Chefetage
https://www.pwc.de/de/business-analytics/assets/big-decisions-survey-2016.pdf
PwC (2017): Up to 30% of existing UK jobs could be impacted by automation by early 2030s, but this should be offset by job gains elsewhere in economy
Sopra Steria Consulting (2017): Potentialstudie: Künstliche Intelligenz
Stanford University (2016): One Hundred Year Study on Artificial Intelligence (AI100): Employment and Workplace (2016)
https://ai100.stanford.edu/2016-report/section-ii-ai-domain/employment-and-workplace
Wisskirchen, G, Biacabe, B. T., Bormann, U., Muntz, A., Niehaus, G., Soler, G. J., von Brauchitsch, B. (2017): Artificial Intelligence and Robotics and Their Impact on the Workplace. (2017)
http://matrixni.org/documents/artificial-intelligence-robotics-impact-workplace/
[1] Soprasteria (2017), S. 9.