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Digitalisierung verändert die Wirtschaft – nur uns betrifft das nicht

In der letzten Zeit werde ich immer häufiger gefragt, ob das Thema Digitalisierung nicht ein vorübergehender Hype sei, der von Marktforschungsinstituten, Beratungsgesellschaften, Medien und anderen immer weiter befeuert wird.

Meine deutliche Antwort lautet: Nein. Aber ich kann die Frage dennoch gut verstehen, denn wenn man sich die Inhalte mancher Kongresse oder auch die Newsfeeds vieler sozialer Netzwerke anschaut, ist der Tiefgang häufig überschaubar. Man findet viele neue Buzzwords, Binsenweisheiten, wie die Tatsache, dass Airbnb oder Uber die Hotel- bzw. Taxibranche verändern oder auch viele kaum belegbare und wenig differenziert vorgetragene Behauptungen, dass Blockchains zukünftig Banken und Energieanbieter ersetzen werden.

Aber viel gefährlicher als die häufig ahnungslosen und selbsternannten Evangelisten der Digitalisierung sind in meinen Augen jedoch die „Bremser“. Ein trauriges Beispiel ist aktuell im Rahmen der Digitalisierungspläne für Schulen zu finden. Nach den Plänen von Bildungsministerin Johanna Wanka soll der Bund in den kommenden fünf Jahren insgesamt fünf Milliarden Euro investieren, um Schulen mit Computern und WLAN auszustatten. Im Gegenzug für das Geld vom Bund sollen sich die Länder verpflichten, digitale Bildung umzusetzen – also Lehrer fortzubilden und Unterrichtskonzepte zu entwickeln. Wenn Sie mich fragen, ist das ein großer Schritt in die richtige Richtung, um Kinder und Jugendliche fit zu machen für die digitale Zukunft. Diese Meinung scheint der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, nicht zu teilen. Sein Statement: „Diese Euphorie ums Digitale kann ich gar nicht nachvollziehen“. Was soll man dazu noch sagen? Er gibt mit dieser Aussage wirklich alles, um ein weit verbreitetes bestehendes Vorurteil zu bestätigen.

Vor diesem Hintergrund finde ich die Frage spannend, ob die Digitalisierung in Unternehmen tatsächlich noch unterschätzt wird. Um dies herauszufinden, haben wir in Kooperation mit der Lünendonk GmbH und Cognizant Technology Solutions eine Umfrage durchgeführt. Ein Ergebnis der Studie: ja, die Folgen der Digitalisierung werden weiter unterschätzt. Etwas präziser: wir haben die teilnehmenden Unternehmen einerseits gefragt, ob die Digitalisierung in ihrem Unternehmen zu starken Veränderungen führen wird. Lediglich 17 Prozent haben dieser Aussage zugestimmt. Interessanterweise sind aber andererseits 30 Prozent der Ansicht, dass die Digitalisierung in anderen Unternehmen der gleichen Branche zu sehr großen Veränderungen führen wird.

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Das erinnert mich an das aus der Psychologie bekannte Phänomen des „Unrealistischen Optimismus“. In einfachen Worten: Man gibt sich der Illusion hin, dass es immer nur die anderen, aber nicht einen selbst trifft.

Wie kommt es dazu, dass Unternehmen davon ausgehen, selber weniger von Veränderungen durch die Digitale Transformation betroffen zu sein als andere? Bei der Detailanalyse fällt auf, dass besonders die Unternehmensgröße einen Einfluss auf die Veränderungserwartung hat. Analysiert man die Ergebnisse anhand der Unternehmensgröße zeigt sich, dass insbesondere die großen Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern mit geringeren Veränderungen rechnen. Diese großen Unternehmen haben ihre Wurzeln häufig in der Old Economy. Die gesamte Studie können Sie hier herunterladen.

Das Konzept des Innovators Dilemma von Clayton Christensen, der in Harvard lehrt und forscht, zeigt, wie disruptive Innovationen ganze Branche verändern. Er erläuterte die Idee damals in den 90er Jahren an traditionellen Branchen, wie der Stahlindustrie. Das Konzept gilt aber umso stärker für die digitale Transformation. Ein bekanntes Beispiel für ein frühes Opfer der Digitalisierung ist Kodak.

Abschließend kann ich also nur noch einmal betonen, dass die Digitalisierung natürlich kein vorübergehender Hype ist und offenbar von vielen Unternehmen immer noch unterschätzt wird. Die Unternehmen sollten sich vom CEO über den CIO (evtl. auch CDO) bis hin zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fachabteilungen auf immer schneller werdende Veränderungen einstellen. Sowohl Startups als auch „etablierte“ Internet-Player wie die Big 4 (also Amazon, Apple, Facebook und Google) werden mit viel Kreativität sowie enormer Entwicklungspower in andere Branchen vordringen und dort etablierte Geschäftsmodelle in Frage stellen. Die Konsequenz ist klar – und damit kommen wir abschließend nochmal auf das Ergebnis der Studie zurück: Die Digitalisierung wird die gesamte Wirtschaft verändern und immer schneller neue Geschäftsmodelle hervorbringen – und diese Entwicklung wird nicht nur die anderen treffen.