Künstliche Intelligenz – Eine Managementperspektive in drei Teilen

Seit vielen Jahren beobachtet und erforsche ich gemeinsam mit den Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an unserem Lehrstuhl, wie die Digitalisierung und neue Technologien Wirtschaft und Gesellschaft verändern. Mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) steht die nächste drastische Veränderung an. Die Zeit ist reif für KI und Unternehmen jeder Größe und jeder Branche sollten sich jetzt intensiv mit dem Thema beschäftigen. Ich starte hier einen dreiteiligen Blog. Im ersten Teil würde ich Sie gerne davon überzeugen, dass es sich bei KI nicht um einen Hype handelt, wie vielfach behauptet wird. Im zweiten Teil wollen wir untersuchen, wie KI die Wirtschaft verändern wird. Gegenstand des dritten Teils werden dann Anbieterstrategien und ein Zukunftsausblick sein.

Warum KI kein Hype ist

Skeptiker behaupten, dass es noch lange dauern würde bis KI Einzug in die Praxis Einzug hält. Immer wieder höre ich auch, dass es ähnliche Überlegungen wie heute doch schon vor dreißig Jahren gegeben habe und KI überschätzt würde. Diesen Skeptikern halte ich immer entgegen, dass es beispielsweise Künstliche Neuronale Netze (KNN) tatsächlich schon seit den 40er Jahren gibt, aber wer deswegen Deep Learning bzw. allgemeiner KI heute nicht auf die eigene Agenda setzt, begeht dennoch einen großen Fehler.

Schon bei den Anfängen des Internet oder genauer des World Wide Web in den 90er Jahren argumentierten die Kritiker ganz ähnlich: Damals hieß es, dass es Netze doch schon lange gäbe und die Technologien wie TCP/IP oder HTML noch gar nicht ausgereift seien und es das alles schon einmal gegeben hätte (in der Tat sagte Tim Berners Lee einmal, dass er HTML gerne besser gemacht hätte, wenn er gewusst hätte, wie weit sich die Sprache verbreiten würde). Aber die Zeit war reif für den Siegeszug von Internet und WWW – nicht aufgrund der Technologie, sondern weil sich die Rahmenbedingungen geändert hatten: Der Zugang zum Internet war schon damals nahezu kostenlos und damit fiel eine wichtige Barriere. Genau so ist es mit KI: Auch heute kann man natürlich argumentieren, dass es Genetische Algorithmen, KNN und andere Machine-Learning-Ansätze schon lange Zeit gibt, aber die Rahmenbedingungen für KI haben sich drastisch verbessert und auch hier sind einige Barrieren weggefallen bzw. neue Voraussetzungen geschaffen worden:

  • Daten bzw. Big Data – etwa zum Training von KNN – sind heute in einer nie gekannten Menge verfügbar und die Datenmenge steigt exponentiell.
  • Rechenpower und Prozessorleistungen sind so kostengünstig wie nie zuvor.
  • Die Performance von „Deep Learning Algorithmen“ hat sich in den letzten Jahren verbessert.
  • Es existiert eine Vielzahl von kostenlos verfügbaren Toolkits und Bibliotheken zur Entwicklung von KI- oder Machine-Learning-Anwendungen.

Dass die Entwicklung im Bereich KI auch von Experten massiv unterschätzt wird, zeigt das Beispiel Go – ein ursprünglich aus China stammendes strategisches Brettspiel, das weit komplexer als Schach ist. So prognostizierten KI-Experten im Jahr 2015 in einer Studie der University of Oxford, dass ein KI-Algorithmus erst im Jahre 2027 in der Lage sein würde, die besten menschlichen Go-Spieler zu schlagen. Es kam anders und bereits im letzten Jahr siegte das von Google Deepmind entwickelte alphaGo gegen verschiedene Weltklassespieler. Dieser Sieg der KI über die besten menschlichen Spieler ist vor allem deswegen von großem Interesse, weil die Komplexität von Go es KI-Algorithmen trotz aller Rechenpower und Prozessorleistungen unmöglich macht, alle Züge vollständig zu enumerieren bzw. durchzuprobieren. Auch die besten (menschlichen) Spieler benötigen Intuition, um Go erfolgreich zu spielen. Genauso wie alphaGo: Die Entwickler fütterten ihre Software, die wie viele KI-Entwicklungen auf KNN basiert, zunächst mit Millionen von Go-Partien. Dann ließen sie die Software gegen sich selbst spielen, um weiter zu lernen – wie Dr. B. aus Stefan Zweigs Schachnovelle, der Schach-Meister wird, nachdem er monatelang Partien im Kopf gegen sich selbst spielt, um in der Isolationshaft nicht wahnsinnig zu werden.

In meinen Augen zeigt das Beispiel, dass KI eher unter- als überschätzt wird. Daher sollten sich auch Führungskräfte in Unternehmen mit dem Thema eingehend beschäftigen. In meinem nächsten Blog werde ich dann darauf eingehen, wie der Einsatz von KI-Algorithmen die Arbeit von morgen verändern wird.